NET 1/2 2022
3 www.net-im-web.de ED I TOR I A L Wenn Sie nun die erste NET des neuen Jahres in der Hand halten, liebe Leserinnen und Leser, haben wir schon Mitte Februar. Noch können wir den Wahrheitsgehalt der vielen Prognosen für 2022 nicht abschließend einschätzen, sicher ist aber, dass unsere Branche weiter in Be- wegung bleibt und die in ihr Tätigen sich auch dieses Jahr diversen He- rausforderungen stellen werdenmüssen. Auf ein paar wenige dieser anzu- gehendenThemen wird auch in dieser NET ein Blick geworfen, allen voran die Digitalisierung, die endlich bundesweit in der Wirtschaft, in Behörden und in der Gesellschaft in die Gänge kommen soll, und der überfällige Breitbandausbau, den wir auch in diesem Jahr begleiten werden. Den ersten großen Aufreger haben wir schon: Alle paar Jahre beantragt dieDeutscheTelekom bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) die Genehmi- gung der Preise für ihr kupferbasiertes VDSL-Netz, also die Preise, die sie den nachfragenden Wett- bewerbern wie beispielsweise 1&1, Vodafone und Telefonica für Breitband-Vorleistungen in Rechnung stellt. Und wie jedes Mal lassen sich die beantragten Preise sehen, obwohl sich das Kupfernetz derTelekom längst amortisiert hat. Beispielsweise hat dieTelekom etwa bei der Teilnehmeranschlussleitung (TAL) eine Steigerung von 7,05 € (2019) auf 8,25 € pro Monat beantragt – eine Preissteigerung von mehr als 15 %, wie der VATM errechnete. „Während sich die Branche weitestgehend darauf geeinigt hat, dass zur Bewältigung der An- strengungen beim Glasfaserausbau im Bereich der alten Kupfernetze ein stabiler Regulierungsrahmen mit ebensolchen Entgelten die beste Lösung ist, setzt die Telekom mit ihrem neuerlichen Antrag auf ein behördliches Preissetzungsmodell, das es ihr bis heute erlaubt, extreme Überrenditen zu erwirtschaften. Wieder werden Kosten geltend gemacht, die seit langem gar nicht mehr anfallen“, kritisiert dann auch VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. Wieder werdenVorleistungsprodukte auf Basis ihres größten- teils abgeschriebenen Kupfernetzes zu Preisen eines vollständig neu errichteten Netzes abgerechnet. Und wieder liegen die Entgelte aufgrund des gewählten Regulierungsansatzes fiktiver Wiederbeschaffungs- werte ca. 50 bis 75 % über den tatsächlichen Kosten allein bei den VDSL-Vorleistungen. Damit die Beschwerde des VATM auf einer wissenschaftlichen Grundlage fußt, wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, das errechnet, welche Bedeutung diese Berechnungsmethodik für den jetzt anlaufendenGlasfaserausbau der DeutschenTelekom hat (siehe auch unseren Beitrag ab Seite 43). Mit dem Ergebnis, dass die Wettbewerber im Zeitraum 2011 bis 2025 entsprechende Entgelte an die Deutsche Telekom bezahlt haben, die die tatsächlichen Kosten um 8,2 Mrd. € übersteigen und wodurch sogar der bis 2025 angekündigte FTTH/B-Ausbau der Deut- schen Telekom zu ca. 57 % mitfinanziert wird. Die Wettbewerbsvorteile lägen also, würde der Antrag von der BNetzA, so wie er ist, genehmigt werden, ganz klar bei der Telekom. Und die Wettbewerber finanzierten nicht nur ihren eigenen Netzaufbau, sondern zu großen Teilen auch den der Telekom. Wir wissen aber auch, dass diese Über- lassungsentgelte meist nie in der beantragten Höhe von der BNetzA genehmigt werden. Es bleibt also spannend, Ihre Brigitte Kasper brigitte.kasper@NET-im-we Alle Jahre wieder 1-2/22
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