NET 1-2/2023

3 www.net-im-web.de ED I TOR I A L Für die ambitionierten Ziele, die sich Deutschland für die nächsten Jahre gestellt hat – ich nenne hier nur die Digitalisierung – braucht es ein nahezu flächendeckendes Gigabitnetz. Das dabei auch die etwas abseits der bereits gut versorgten Ballungsgebie- te lebenden Bürger und Bürgerinnen in den Ge- nuss des superschnellen Internet kommen müs- sen (digitale Teilhabe), versteht sich aus meiner Sicht von selbst. Leider ist dies oft wirtschaft- lich nicht so attraktiv und muss gut geplant und durchgerechnet werden. Zum Glück sind in den letzten Jahren immer mehr Investoren dazu bereit, dort zu investieren. Es ist auch schon viel erreicht. Wer den ausführlichen Beitrag über die TK-Marktstudie 2022 des VATM, durchgeführt von Dialog Consult, ab Seite 43 aufmerksam liest, wird sehen, dass der Weg in die richtige Richtung geht. Und der Lauf der Zeit wird schon dafür sorgen, dass immer mehr Menschen und Unternehmen sich für die Nutzung des Gigabitinternet entscheiden. Jedoch ist Deutschland noch weit von einem flächendeckenden Glasfaserausbau entfernt. Alle Beteiligten imMarkt sind sich eigentlich sicher, dass es nach wie vor immenser Anstrengungen bedarf, dieses Ziel zu erreichen.Wie VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner sich erinnert, habe Telekom-Chef Timotheus Höttges in der Vergangenheit völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass der Glasfaserausbau in Deutschland eine Mammutaufgabe sei, die nur gemeinsam vom Markt gestemmt werden könne. Umso irritierender dann dieNachricht, dass die Deutsche Telekom in Köln bereits bestehende Glasfaserinfrastruktur für ein eigenes Netz überbaut. Telekom-SprecherinMarion Kessing erklärte dazu in der heute-Sendung am 22. Dezember (ZDF, 12.00 Uhr) dann auch: „Es gibt Gebiete, da ist es sinnvoll für uns. Wir können diese wirtschaftlich so erschlie- ßen, dass wir eigene Glasfaseranschlüsse bauen. … Das ist normaler Infrastrukturwettbewerb“. Aus Sicht derDeutschenTelekommacht das also Sinn. Anders sieht es Jürgen Grützner. Er warnt vor den Gefahren eines punktuellen strategischen Überbaus beimGlasfaserausbau. „Der Überbau von Glasfaserinfrastruktur, den die Deutsche Telekom nicht nur in großen Städten wie Köln gestartet hat, ist volks- und betriebswirtschaftlich völlig unsinnig und schadet Unternehmen und Bürgern. Ein zweites Netz in den bereits hervorragend versorgten Städten auszurollen, während andere Orte und ländliche Regionen dringend auf FTTB/H warten, ist ein rein strategischer Angriff gegen die im Wettbewerb stehenden ausbauenden Unternehmen und interna- tionale Investoren.“ Allein schon die bloße Drohung mit strategischem Überbau ermögliche dem markt- mächtigen Unternehmen, andere Wettbewerber zu verdrängen und von dem eigenen flächendeckenden Ausbau abzuhalten. Grützner empfindet es als brandgefährlich, „diese Ausbaustrategie mit normalem Wettbewerb zu begründen.“ Bestenfalls wird die Erschließung nicht so lukrativer Orte oder Ortsteile verzögert, schlimmstenfalls zieht sich nach demWettbewerber und dessen Investoren auch die Telekom von dem Ausbauvorhaben zurück, “da dann derWettbewerbs- druck fehlt“. Gesamtgesellschaftlich und auch aus Ge- meinden- und Bürgersicht einUnding. Muss wirklich erst der Regulierer auf den Plan treten? Ihre Brigitte Kasper brigitte.kasper@NET-im-web.de Kontraproduktiv 1-2/23

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