NET 1-2/2023
39 www.net-im-web.de 1-2/23 Digitalisierung der Energiewende direkt von Anschlussnetzbetreibern und in- direkt von Endverbrauchern zu zahlenden Netzentgelte einzubeziehen; damit werden im Ergebnis alle Stromkunden stärker an den SMGW-Gebühren beteiligt, die POG werden demnach teilweise „sozialisiert“. Grundsätzlich ist dieses neue Prinzip der Beteiligung von Verteilnetz- betreibern an den Kosten für SMGW betriebswirtschaftlich sinnvoll, da sie we- sentlich davon profitieren, dass SMGW bereitgestellte Daten für Netzbetriebs- und -planungszwecke genutzt werden können. Problematisch ist jedoch erstens, dass die POG des MsbG von 2016 im GNDEW übernommen wurden und nicht empirisch geprüft wurde, inwiefern POG-Erhöhungen oder -Senkungen erforderlich sind. Der Gesetzgeber sollte diese Lücke mit entspre- chendenKostenanalysen für SMGWschlie- ßen und gegebenenfalls die POG anpassen. Zweitens ist nicht ersichtlich, warumder an Verteilnetzbetreiber verrechnete POG-An- teil als Bruttobetrag konzipiert wird, also die Umsatzsteuer enthält. Eine Senkung (Erhöhung) der Umsatzsteuer zieht damit eine Steigerung (Senkung) der SMGW- Betreibern zur Kostendeckung zur Verfü- gung stehenden Erlöse nach sich. Dies ist ökonomisch unsinnig, da SMGW-Kosten unabhängig von der Höhe der Umsatzsteuer anfallen. Drittens ist das jährliche Entgelt von 20 € für Anschlussnutzer willkürlich bzw. rein politisch gesetzt. UmdieseWillkür zu eliminieren, sollte der Gesetzgeber sich die Mühe machen, materiell zu begründen, warum gerade von dem Betrag von 20 € erwartet wird, dass er für typische private Haushalte den Anreiz maximiert, externe Eingriffe in ihren Stromverbrauch hinzu- nehmen. Zertifizierungsumfang Die Gesetzesnovelle sieht vor, dass das BMWK dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) „die inhalt- liche, zeitliche und prozessuale Umsetzung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz“ vor- gibt, aber dabei die Zuständigkeiten des BSI für Sicherheitsvorgaben und Einschät- zungen des aktuellen Standes der Technik der Cybersicherheit nicht eingeschränkt werden (vgl. § 27). Ansonsten sollen Stan- dardisierungen angeschlossener Systeme über Initiativen von Marktteilnehmern bzw. unter Einbindung der Standardisie- rungsinstitutionen gemäß § 49 Energie- wirtschaftsgesetz erfolgen. Grundsätzlich spricht für diese marktorientierte Strategie, dass nichtstaatliche Standardisierungsinsti- tutionen durchaus dazu in der Lage sind, komplexe technische Lösungen als Norm für den Markt zu formulieren. Allerdings ist es dem BSI bereits in Konsultation mit der Branche gelungen, mit dem Entwurf der technischen Richtlinie BSI TR-03109- 5 eine unter Mitwirkung der relevanten Unternehmen undVerbände erstellte Norm zur Sicherung der SMGW-Interoperabilität mit Steuerungseinheiten für nachgelagerte technische Systeme, die Energie verbrau- chen, erzeugen oder speichern, zu verfassen. Standardisierungsorganisationen oder das BSI sollten diesen Entwurf nutzen und als Stand der Technik veröffentlichen. Der Gesetzgeber sollte ihn ebenfalls explizit aufgreifen, etwa indem er festlegt, dass die TR-03109-5 auch unter § 22 Abs. 1 MsbG fällt. Steuerung des Netzanschlusses ImGNDEWwird das SMGWz.B. in § 21 Abs. 3 MsbG in erster Linie als Einheit zur Steuerung von Einzelanlagen oder mehre- rer Zähler (neben Strom insbesondere für Wärme undWasser) eines Netzanschlusses innerhalb einer Liegenschaft behandelt (im Fachjargon 1:n-Metering). Bezüglich der Anbindung mehrerer Netzanschlüsse über ein SMGWwird in § 21 lediglich angeführt, dass „die Einsichts- und Informationsrechte nach den §§ 53 und 61 sowie die gleichen Funktions- und Sicherheitsanforderungen wie bei der Bündelung der Zählpunkte an einem Netzanschluss gewährleistet“ sein müssen. Hier wäre der Gesetzgeber klug beraten, wenn er verdeutlicht, dass es nicht gestattet ist, mehrere Netzanschlüsse über nur ein SMGW zu verknüpfen. Damit wird vermieden, dass hiermit verbundene ungeklärte komplexe Datenschutz- und Sicherheitsfragen im Schutzprofil den SMGW-Rollout belasten. Außerdem wird so geschlossenen Insellösungen für einzelne Netzgebiete entgegengewirkt. Frühere SMGW-Ausstattung Gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 MsbG-Novelle können ab 2025 u.a. „Letztverbraucher ... die vorzeitige Ausstattung von Messstellen mit einem intelligentenMesssystem inner- halb von vier Monaten ab Beauftragung“ von ihrem Messstellenbetreiber fordern. Diese Norm scheint zwar kundenfreund- lich zu sein. Sie hat jedoch den Nachteil, dass einMessstellenbetreiber punktuell zur SMGW-Bereitstellung verpflichtet werden kann, obwohl der Ausbau für ihn aufgrund abweichender Rollout-Pläne in hohemMaß unwirtschaftlich ist. Der Gesetzgeber sollte deshalb eine Ergänzung dahingehend vor- nehmen, dass der Messstellenbetreiber das Ausrüstungsverlangen einzelner Nachfrager für eine bestimmte Zeitspanne (etwa ein Jahr) zurückweisen darf, wenn er fakten- gestützt nachweist, dass der kundenseitig verlangte SMGW-Aufbau für ihn erhebli- che negative betriebswirtschaftliche Folgen haben würde und sich abträglich auf den Rollout seines Gesamtsystems auswirken dürfte. Zeitplan SMGW-Ausbau Die neuen Ausbauverpflichtungen in § 45 Abs. 1 Nr. 2 MsbG sehen vor, dass Mess- stellenbetreiber von den „normalen“ Privat- haushaltenmit einem Jahresstromverbrauch von bis zu 6.000 kWh bis Ende 2025 bzw. Ende 2030 20 bzw. 95%mit einemSMGW auszustatten haben. Diese Vorgaben sind nicht sonderlich ambitioniert. Angesichts
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