NET 10/2021
47 www.net-im-web.de 10/21 Glasfaser für Bayern Kommunen haben teure Nachverdichtung und Haftungsrisiken noch nicht im Blick Interview Martin Naber, Vorstand der Leonet AG Herr Naber, Was treibt Sie an? Martin Naber: Wir kommen aus Teisnach im Bayeri- schen Wald, sind über ein Jahrzehnt im Breitband- markt tätig und wollen einen Beitrag zum Herstellen der digitalen Chancengleichheit für den ländlichen Raum in Bayern leisten. NET: Ist das Glas beim Ausbau halbleer oder halbvoll? N. Naber: Halbvoll, wir sind Optimisten. Dabei verken- nen wir nicht, dass der in den beiden letzten Jahren ins Laufen gekommene Ausbau aktuell massiv durch Ka- pazitäts- und Lieferengpässe sowie immer komplexere Genehmigungsverfahren entschleunigt wird. Wir erleben gerade, dass Geld alleine keine Glasfaser baut. Die personellen Engpässe beim Tiefbau, Vertrieb, Planung, Bau und Betrieb von Netzen lassen sich nur langfristig abbauen. Zumal es ja auch noch andere wichtige Infrastrukturen, wie Energie, Versorgung und Verkehr gibt, die mit dem Breitbandausbau in Konkurrenz um Fachkräfte stehen. NET: Gilt dies auch für Sie? N. Naber: Wir denken langfristig und haben ent- sprechende Abkommen mit Tiefbauern, Lieferanten und Dienstleistern geschlossen. Nur hat niemand eine Glaskugel um die nächsten Marktentwicklungen voraussagen. NET: Förderung oder privatwirtschaftlicher Ausbau? N. Naber: Beides! Durch den Markteintritt immer neuer Finanzinvestoren verengt sich der Begriff Marktversa- gen. Volkswirtschaftlich sollte das reichlich vorhandene Privatkapital für den flächendeckenden Ausbau im freien Wettbewerb genutzt werden und sich der Staat auf den geförderten Ausbau in ländlichen Gebieten konzentrieren, in denen sich kein Investor findet. NET: Wie gehen Sie vor? N. Naber: Bayern hat beim FTTB/H Breitbandausbau eine bewährte Förderkulisse etabliert. Die Landesregie- rung unterstützt diesen stärker als andere Bundeslän- der. Beim Ausbau setzen wir auf enge Kooperationen mit Kommunen, Landkreisen und dem Land. Dabei erweitern wir gezielt geförderte Gebiete mit Eigen- mitteln und gehen schwach versorgte Gebiete komplett privatwirtschaftlich an. NET: Wie arbeiten Sie mit Kommunen zusammen? N. Naber: Jeder will heute Glasfaser überall und sofort. Diese Erwartung stellt Kommunen vor große Herausfor- derungen. Als Partner auf Augenhöhe wollen wir helfen, den gewünschten Glasfaserausbau zu beschleunigen. Hierzu gehört auch die Reduktion von Risiken. NET: Welche Risiken meinen Sie? N. Naber: Durch den Druck der Haushalte und des Gewerbes lassen sich Kommunen immer häufiger auf Kooperationen ein, die zwar rasch zum Ausbau von Glasfaserinfrastrukturen führen. Doch kaum ein Ent- scheider denkt dabei langfristig. Die wahre Herausfor- derung ist es, in einer Kommune Glasfaser tatsächlich flächendeckend und nicht nur in ausgesuchten Straßen oder gar nur Teilen davon zu verlegen, wenn etwa Vorvermarktungsquoten nicht erreicht werden. Aber genau dies passiert. Viele wollen oder können dies nicht sehen. Realisiert ein Netzbetreiber den Ausbau so, dass sich auch später Liegenschaften ohne hohen Aufwand anschließen lassen? Kommt das ausbauende Unternehmen zeitnah wieder, um den Ausbau bei entsprechender Nachfrage nachzuverdichten? Es mag verlockend klingen, wenn schon bei einer geringen Beteiligung der Bevölkerung Glasfaserinfrastruktur gebaut wird. Das bedeutet aber im Umkehrschluss auch, dass ein großer Teil der Bevölkerung in diesem ersten Schritt gar keine Glasfaserinfrastruktur bekommt. Da alle anderen Anbieter einen Bogen selbst um nur teilausgebaute Kommunen machen, gerät die Kommune schnell unbewusst in extrem starke Abhängigkeiten, die mittel- bis langfristig extrem teuer werden können. NET: Ihr Rat? N. Naber: Beim zu- kunftsorientierten Ausbau muss das Thema Nachver- dichtung deutlich stärker beachtet werden und sind entsprechende Ausbauvorgaben schon vor Baubeginn zu vereinbaren. Dabei sollte es möglich sein, dass sich Adressen an das Glasfasernetz anschließen lassen ohne sich weiter vertraglich an das ausbauende Unternehmen binden zu müssen. Je höher der Anteil der in einem ersten Schritt angeschlossenen Gebäude ist, desto geringer ist der Anteil der Liegenschaften, die nachträglich angebunden werden müssen. Denn wenn das Ausbauunternehmen später nicht zeitnah kommt oder hohe Summen für Hausanschlüsse aufruft, ist der Frust der Bürger groß. NET: Ihr Vorschlag? N. Naber: Beim eigenwirtschaftlichen Ausbau setzen wir immer darauf, mindestens 70 Prozent aller Gebäude anschließen zu können. Die Vorteile liegen auf der Hand: geringerer Nachverdichtungsbedarf, höhere Chan- cen für einen echten Open Access und echter Partner aus der Region. Dies ist unser Alleinstellungsmerkmal. NET: Wie sehen Sie die aktuelle Diskussion zu alter- nativen Verlegemethoden? N. Naber: Noch gibt es keine belastbaren Erkenntnisse zu deren langfristigen Folgen. Unser Fokus liegt jedoch auf dem traditionellen Tiefbau. Dies hat viele gute Gründe und wird von den allermeisten Kommunen ausdrücklich gewünscht. Uns sind langfristig faire Partnerschaften wichtiger, die nicht durch spätere Haftungsdiskussionen nach Ablauf der marktüblichen fünfjährigen Gewährleistung getrübt werden. Herr Naber, wir danken Ihen für dieses Gespräch. Martin Naber (Foto: Leonet)
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