NET 10/2022
38 www.net-im-web.de 10/22 verbände, dass es innerhalb von Landkreisen das Haushaltsnettoeinkommen und weite- re Referenzpunkte außer Betracht lassen würde. Der Einwand überzeugt nicht, da regionale Unterschiede im Einkommen in die Preissetzungen der Anbieter einfließen und ihnen zudem bei sozial schwachen Verbrauchern gezielter über direkte Unter- stützungsleistungen Rechnung getragen werden kann. Die Kritiker lassen auch im Dunkeln, welche zusätzlichen Referenz- punkte denn zu betrachten wären und aus welchen Quellen sie entnommen werden könnten. Weiter wird vorgebracht, dass mit einem technologieunabhängigen durch- schnittlichen Limit für den SIA-Preis die Erfüllung des RASI über erdnahe Satel- litensysteme aufgrund ihrer überdurch- schnittlichen Anschlusskosten/-preise un- möglich gemacht werden würde. Dem ist – wie oben dargelegt – zu entgegnen, dass einem Satellitenbetreiber bei nicht kostendeckenden Anschlusspreisen im Fall einer unzumutbaren Belastung eine Verlust- kompensation gemäß § 162 TKG von der BNetzA zugesprochen werden kann, sofern er bereit ist, den aufwendigen Prozess des Ausgleichsverfahrens zu durchlaufen. Die Erschwinglichkeitsgrundsätze gehen nicht darauf ein, in welchen Abstän- den die Behörde Preisgrenzen im Regelfall zu aktualisieren gedenkt. ImAnalogieschluss zu § 157 Abs. 1 S. 3TKG liegt es allerdings sehr nahe, dass mindestens einmal pro Jahr eine Überprüfung vorzunehmen ist, deren Ergebnisse gegebenenfalls für Änderungen der Höchstwerte für Anschlusspreise (und monatliche Nutzungspreise) heranzuziehen sind. Ausblick Die von der BNetzA jetzt umzuset- zenden Bildungen von Durchschnitts- werten dürften aktuell zu einer Grenze der maximalen monatlichen Kosten für einen SIA von insgesamt merklich we- niger als 25 € (inklusive Umsatzsteuer) führen. Im Einzelfall kann diese Schran- ke ungerecht sein. Für die Intendantin einer öffentlich-rechtlichen Rundfunk- anstalt wären mehr als 25 € erschwing- lich; für den Praktikanten eines Bundes- tagsabgeordneten könnten schon 25 € nicht bezahlbar sein. Höhere Einzelfallge- rechtigkeit kann aber über gezielte direkte Sozialtransfers hergestellt werden (s.o.). Angesichts dessen, dass Kosten von 25 € lediglich etwa 0,6 % des Mittel- werts der Summe aus Einkommen und anderen Einnahmen eines durchschnitt- lichen Privathaushalts in Deutschland im Jahr 2022 entsprechen, ist in jedem Fall für den Gesamtmarkt nicht damit zu rechnen, dass Privathaushalte, die heute über monat- lich 25 € für einen Internetanschluss mit deutlichmehr als 10Mbit/s Download und 1,7 Mbit/s Upload aufwenden, massen- haft zu einem „erschwinglichen“ Produkt mit niedrigerer Qualität wechseln werden. Damit wird die praktische Marktrelevanz erschwinglicher Preise allein durch die Zahl der Privathaushalte bestimmt, die gegen- wärtig noch nicht mit einem10-Mbit/s-An- schluss an ihrem Hauptwohnsitz versorgt sind. Aus Statistiken zum SIA-Versor- gungsstand inDeutschlandMitte 2021 lässt sich ableiten, dass Mitte 2022 maximal 200.000 Haushalte in 100.000 Gebäu- den an ihrem Hauptwohnsitz keinen SIA mit einer minimalen Downloadrate von 10 Mbit/s beziehen konnten. Das ent- spricht einem Anteil von jeweils 0,5 % aller privaten Wohnsitzhaushalte bzw. Wohngebäude in Deutschland. Die Bun- desregierung hat zwar schon angekündigt, Mitte 2023 den SIA-Standard für den Download auf minimal 15 Mbit/s und für die Untergrenze beim Upload (ohne Nennung eines konkreten Wertes) zu er- höhen. Aber selbst mit diesen Vorgaben wären Mitte 2023 ebenfalls höchstens 200.000 Haushalte in 100.000 Gebäuden von nicht erschwinglichen SIA-Preisen be- troffen. Starke Marktverzerrungen durch die Grundsätze für erschwingliche Preise sind deshalb sehr unwahrscheinlich. Die Aufmerksamkeit, die denVersorgungs- und Erschwinglichkeitskomponenten des RASI in derWirtschafts- und Rechtspolitik sowie in Massenmedien geschenkt wurde und wird, wirkt deshalb übertrieben. Wichtigerwäre es, denAusbau von Glasfasernetzen jenseits des RASI zu stärken. EinschlägigeHebel hat die Bundesregierung in ihrer am 13. Juli 2022 verabschiedeten Gigabitstrategie, deren Kernpunkte sich auch in ihrer breiter angelegten Digitalstra- tegie vom 31. August 2022 wiederfinden, identifiziert. Sie umfassen: • die Unterstützung der Digitalisierung vereinheitlichter bau- und wegerecht- licher Genehmigungsverfahren in den Kommunen bzw. Bundesländern; • die Erleichterung der kostengünstige- ren und schnelleren mindertiefen Ver- legung vonGlasfaserkabeln (z.B. durch Standardisierung vonGrabungs-, Fräs- und Pflugverfahren); • die Schaffung eines Gigabit-Grund- buches als zentrales Portal für den Informationszugang über vorhandene Netze; • die enge Ausrichtung entbürokrati- sierter staatlicher Förderprogramme für Breitbandnetze auf Gebiete, in denen die betriebswirtschaftlichen Potenziale für einen eigenwirtschaft- lichen Ausbau privater Netzbetreiber fehlen. In der Gigabitstrategie heißt es zu diesen seit langem bekannten Hebeln oft, dass die Regierung sie prüfen und ihre Nutzung möglichst bald vorantreiben will. Das ist zu wenig. Wenn die Bürger rasch in den Genuss eines wirklich schnellen Internet- anschlusses kommen sollen, dann muss die Regierung die Umsetzungslethargie im Telekommunikationsbereich überwinden und Worten endlich Taten folgen lassen. Erschwinglichkeit eines schnellen Internetanschlusses
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