NET 12/2021
35 www.net-im-web.de 12/21 Flächendeckender Breitbandausbau mit Augenmaß Gebiete können eigenwirtschaftlich durch entsprechende Geschäftsmodelle erschlossen werden. Man darf nicht vergessen, dass die Weiße-Flecken-Förderung vor sechs Jahren begann. Zwischenzeitlich haben sich dieWelt und die Bedarfe verändert. Wir müssen aus diesem Grund auch die laufende Graue-Fle- cken-Förderung dosieren und dort einsetzen, wo der eigenwirtschaftliche Ausbau nicht funktioniert, und dies betrifft immer noch die weißen Flecken. Hier Abhilfe zu schaffen wird eines unserer ganz großenThemen sein. Gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode ist dafür Sorge zu. Fakt ist: der eigenwirtschaft- liche Ausbau wird sich ausweiten, und die Förderungmuss auf einMindestmaß reduziert werden. NET: Ein eigenständiges Digitalministerium wird es nicht geben. Wie muss die Themenver- teilung aus Ihrer Sicht gestaltet werden, damit die Themen Digitalisierung und digitale Infra- struktur vorankommen? Dr. Albers: Bitte nicht so weiter wie bisher, mit vielen unterschiedlichen Zuständigkeiten. So bekommt man die Themen nicht schnell genug voran. Wir als BREKO begrüßen die Erweiterung des Bundesverkehrsministeriums um den Bereich Digitales. Damit einhergehen sollte, dass das Thema digitale Infrastruktur zukünftig aus einem Ministerium heraus be- arbeitet wird und die bestehende Verteilung der Zuständigkeiten auf mehrere Ministerien ein Ende hat. Wir bedauern, dass es kein eigenes Digitalministeriumgebenwird.Wenn das neue BMVD allerdings neben demGlasfaserausbau die Kompetenz für übergeordneteThemen der Digitalisierung, wie IT-Sicherheit, Verwal- tungsmodernisierung, den Einsatz künstlicher Intelligenz oder Quantencomputing erhält, wäre das ein sehr wichtiges Signal für mehr Schlagkraft in der Digitalpolitik. Damit würde man auch die Grundlage für eineDigitalpolitik „aus einem Guss“ schaffen. Wichtig ist, dass das Ministerium kraftvoll ausgestattet wird mit finanziellen Ressourcen und Personal. Um Lösungsansätze für die großen Digitali- sierungsfragen zu finden und die Umsetzung der im neuen Koalitionsvertrag genannten Vorhaben in Gang zu bringen, brauchen wir aus unserer Sicht agilere Strukturen, die Kon- zepte und Ideen für die Bundesregierung ent- wickeln und auf den Weg bringen. Hilfreich könnte aus Sicht des BREKO beispielsweise der Aufbau einer die Bundesregierung bera- tenden Institution („ThinkTank“) sein. Diese Kompetenzstelle könnte Umsetzungsideen entwickeln, die Ministerien beraten und die übergeordneten Digitalthemen auch in die Kommunen undVerwaltungen vor Ort tragen und darüber praxisgerecht informieren. NET: Die Vergabe von Fördergeldern lief in der Vergangenheit nicht immer zielgerichtet. Was wünschen Sie sich diesbezüglich von der neuen Bundesregierung? Dr. Albers: Als Steuerzahler habe ich ein Inte- resse daran, das Gelder in Förderprogrammen vernünftig ausgegeben werden. Es bedarf hier Markterkundungsverfahren, Förderbe- scheide und einer sorgfältigen Prüfung von Vergabeverfahren. Das alles braucht Zeit. Wir müssen mit der Chimäre aufräumen, dass ge- förderter Glasfaserausbau schneller geht als ein eigenwirtschaftlicher. Diese Verfahren dauern zwangsläufig länger, da es um die Vergabe von Steuergeldern geht. Gleichwohl können die Prozeduren optimiert werden, vordergründig die Geneh- migungsverfahren. Die Herausforderung ist "Geht es um die Infrastruktur, brauchen wir keine Strategen, sondern Umsetzer und Macher." eine Digitalisierung sowie eine Vereinfachung der Verfahren für die Unternehmen. NET: An wen können die Gelder verteilt werden? Dr. Albers: Die Herausforderung ist, interes- sante Dosierungsmechanismen zu finden. Es gilt einfach zu verhindern, dass es eine Art Förder-Tsunami gibt. Man könnte Quoten festlegen und sagen, man fördert mit maximal 1 Mrd. € pro Jahr. Es gibt Forderungen die lauten, dass man nochmals 20 Mrd. € För- dergelder zusätzlich bereitstellen müsste und es gibt Äußerungen die lauten, man könne ja locker 5 Mrd. € an Förderungen jährlich verbauen. Das ist illusorisch und hat mit der Realität nichts zu tun. Hier müssen wir ver- nünftige Dosierungsmechanismen finden was bedeutet, dass maximal 1 Mrd. € pro Jahr in den Markt gegeben wird und die Verteilung nach Bedarf erfolgt. Das muss vor allem gezielt geschehen, denn es gibt etwa in Baden-Würt- temberg andere Förderbedarfe als in NRW. NET: Die Ampel-Koalition sieht eine mögliche Neuaufsetzung der digitalpolitischen Strategie der Bundesregierung vor. Kann dies ein Nährboden für positive Impulse sein? Dr. Albers: Was getan werden muss, ist relativ deutlich. Es ist an der Zeit, klar auf die zu- kunftsweisende Infrastruktur Glasfaserausbau zu setzen, realistische Ziele zu stecken und das umzusetzen, was im Telekommunikations- gesetz steht. Das Schöne an der Sache ist: Das Geld ist da, die Nachfrage steigt und die Geschäftsmodelle sind gefunden. Geht es um die Infrastruktur brauchen wir keine Strategien mehr und keine Strategen, sondern Umsetzer und Macher. Und die müssen in einem Ministerium sitzen und diese Dinge gemeinsam umsetzen. Daran fehlt es. Und wenn wir das in den nächsten vier Jahren hinbekommen, werden wir den flächende- ckenden Glasfaserausbau signifikant mit der neuen Bundesregierung umsetzen und voran- treiben können. Herr Dr. Albers, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
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