NET 3/2021
39 03/21 www.net-im-web.de Digitale Plattformriesen viel Zeit verbraucht und hohe zusätzliche Kosten verursacht. Ein Musterbeispiel ist die derzeit inGründung befindliche bundes- eigene Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft, die eine lückenlose Mobilfunkversorgung in Deutschland unterstützen soll. Die Ge- sellschaft wurde zwar bereits Ende 2018 von der CSU gefordert. Obwohl CSU- Mitglieder seit 2009 ununterbrochen das zuständige Verkehrsministerium führen, ist sie aber Anfang 2021 immer noch nicht auch nur halbwegs einsatzbereit und wird vomBundesrechnungshof als unwirtschaft- lich kritisiert. Außerdem müsste die neue Institution sich erst über Jahre eine fachliche Reputation erarbeiten, die ausreicht, um von der Kommission ernst genommen zu werden. Im Ergebnis überzeugt die erste Strategie eher nicht. Zum anderen kann eine vor- handene Organisation als federführende nationale Instanz im Zusammenhang mit der Regulierung großer Digitalkonzerne durch die Kommission genutzt werden. In Betracht kommen hier aus wettbewerbs- politischer Sicht das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur, aus medienpoliti- scher Warte die Landesmedienanstalten, aus datenschutzpolitischer Perspektive der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sowie aus ver- braucherpolitischer Sicht der Verbraucher- zentrale Bundesverband. Für den Rückgriff auf eine etablierte Institution sprechen Zeit-, Kosten-, Erfahrungs- und Reputa- tionsvorteile, so dass die zweite Strategie der ersten vorzuziehen ist. Allerdings decken die sechs Kandidaten jeweils nur Teilaspekte der Regulierung gro- ßer Digitalkonzerne ab. Zu stark in ihren Kompetenzen begrenzt sind der Datenschutz- beauftragte, das BSI und die Verbraucher- zentrale. Die 14 Landesmedienanstalten sind aufgrund ihrer räumlichen beschränkten Zuständigkeit und alleinigen Ausrichtung auf Massenmedien sowie von Konkurrenz- beziehungen untereinander ebenfalls keine Institutionen, denen als nationales Gegen- gewicht eine ausreichende Einflussnahme auf die Kommission bei der Anwendung von DMA und DSA zugetraut werden darf. Eta- blierte Behörden mit hoher Reputation und vergleichsweise noch breitem einschlägigen Erfahrungsprofil sind das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur. Das Bundeskar- tellamt ist nach der 10. Novelle des Gesetzes gegenWettbewerbsbeschränkungen aufgrund des neuen § 19a in Deutschland seit dem 19.1.2021 für Verhaltensverbote gegenüber Unternehmen, die wie großeDigitalkonzerne eine überragende marktübergreifende Bedeu- tung für denWettbewerb haben, zuständig. Im Vergleich zum Bundeskartellamt ver- fügt die Bundesnetzagentur über in fast 25 Jahren gesammelte praktische Erfahrungen bei der vorbeugenden gleichheitssichernden Wettbewerbssicherung im Telekommuni- kationssektor unter Einbezug von Aspekten des Kundenschutzes. Von daher spricht einiges dafür, die Bundesnetzagentur als nationalen Gegenspieler der Kommission bei der Anwendung von DMA und DSA zu stärken und entsprechende Vorgaben noch in die derzeit erfolgende Überarbeitung des Telekommunikationsgesetzes aufzunehmen. Um nicht gegenüber der Kommission ins Hintertreffen zu geraten, hat die Bundes- regierung in jedem Fall rasch eine Wahl zu treffen, ob das Bundeskartellamt oder die Bundesnetzagentur die nationale Rolle federführend übernehmen soll, und die präferierte Behörde dannmit hinreichenden Ressourcen auszustatten. Fazit Das Paket aus DMA und DSA ist ein längst überfälliges, ambitioniertes Vorhaben der Kommission zur Einhegung der Wettbe- werbs- und Meinungsmacht großer Digi- talkonzerne. Das Projekt wird aber nicht dadurch erfolgversprechender, dass natio- nale Regulierungsinstitutionen zugunsten einer Machtkonzentration in Brüssel aus- gehebelt werden. Hier sind Korrekturen angebracht. Sie sollten dazu beitragen, dass in Deutschland das Bundeskartellamt oder die Bundesnetzagentur in ihrer Funktion als nationale Aufseher der Digitalkonzerne gestärkt werden. Einerseits sollten sich Unternehmen in einer Marktwirtschaft möglichst frei entwickeln können. Andererseits sind jedoch besonders im Internet Regeln zur Wettbewerbssicherung notwendig (Foto: Gerd Altmann, Pixabay) Die Bundesnetzagentur oder das Bundeskartellamt sollten als nationaler Gegen- spieler gestärkt werden
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