NET 3 2022

40 www.net-im-web.de 3/22 Modernisierung des Universaldienstes im TKG 2021 Gutachten_fraunhofer_Satellitenfunk. pdf?__blob=publicationFile&v=2) reicht die aktuell verfügbare Kapazität von Satelli- ten nicht aus, um diesen Haushalten sowie Unternehmen und staatlichen Institutionen, die in unversorgten Regionen Standorte haben, rasch einen SIZ zur Verfügung zu stellen – selbst wenn man die Frage der Er- schwinglichkeit kostendeckender Preise für diese Zugangstechnik ausblendet. Deshalb ist der weitere Ausbau von entsprechend leis- tungsfähigen leitungs- oder funkbasierten Netzen unumgänglich, wenn Jedermann an seinemWohn- oder Geschäftsort einen SIZ nutzen können soll. Recht auf schnelles Internet Da der weitere Ausbau für private Anbieter zumeist unwirtschaftlich ist, lassen sich staatliche Eingriffe zur Schließung etwaiger Versorgungslücken rechtfertigen, sofern man einen SIZ als Teil der Daseinsvorsorge einstuft. Eine derartige Intervention findet man im neuenTelekommunikationsgesetz (TKG nF), das am 1. Dezember 2021 in Kraft getreten ist. § 156 Abs. 1 TKG nF schafft erstmals mit demRecht auf schnelles Internet (RASI) einen individuellen An- spruch von Endnutzern auf Versorgung mit einem SIZ an ihrem Hauptwohnsitz oder ihren Geschäftsstandorten. Wenn die Bundesnetzagentur (BNetzA) feststellt, dass Endnutzer in ihremRASI verletzt sind, dann hat die Behörde als Ultima Ratio einem oder mehreren Unternehmen aufzuerlegen, einen SIZ für die betroffenen Endnutzer anzubieten. ImBranchenjargon bezeichnet man dieses Angebot als Universaldienst . Zwar bestand die Möglichkeit einer derartigen Verpflichtung prinzipiell bereits seit 1996 in den Vorläuferversionen des aktuellen TKG, aber nicht für einen anhand von Mindestempfangs- und Sen- debandbreiten sowie maximalen Daten- laufzeiten konkret definierten SIZ. Sofern ein Unternehmen, das ein SIZ-Angebot zu erbringen hat, nachweist, dass es durch die Auflage unzumutbare Kosten zu tragen hat, kann die Bundesnetzagentur ihm einen Verlustausgleich gewähren (§ 162TKGnF). Finanziert wird der Ausgleich über Zahlun- gen aller nicht mit der Pflicht beschwerten Anbieter von SIZ und von interpersonellen Kommunikationsdiensten (§ 163TKGnF). Die BNetzA hat in einem am 22. Dezember 2021 veröffentlichten Papier (https://www.bundesnetzagentur.de/Sha redDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/ Telekommunikation/Unternehmen_Ins titutionen/Grundversorgung/Konsulta tionsdokument_Mindestanforderungen. pdf?__blob=publicationFile&v=4) deut- lich gemacht, dass sie als Leistungsmerk- malsausprägungen zur Abgrenzung von SIZ eine Download-Geschwindigkeit von mindestens 10Mbit/s, eine Upload-Daten- rate von mindestens 1,3Mbit/s sowie eine Latenz von höchstens 150 ms ab dem 1. Juni 2022 vorzugeben gedenkt (siehe S. 55-57 des Papiers). Man kann trefflich darüber streiten, ob die drei Grenzwerte zur Definition vonMindestanforderungen an einen SIZ ausreichen, wenn es um das Funktionieren von hochauflösendem Vi- deostreaming oder Videokonferenzen im Homeoffice geht. So forderte die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion bereits vor mehr als zehn Jahren, dass ein SIZ als Univer- saldienst ab dem Jahr 2016 eine Emp- fangsdatenrate von mindestens 50 Mbit/s aufweisen müsse. Der Verbraucherzentrale Bundesverband plädierte schon 2019 für einenGrenzwert von 30Mbit/s. Zwei Jahre später nannten die Verbraucherschützer 50 Mbit/s als angemessenen Minimalwert. In jedem Fall liegen die Qualitätsschwel- lenwerte tendenziell deutlich unter dem Niveau, das in Deutschland derzeit bei 50 % der Festnetznutzer zu beobachten ist (siehe Bild). Langwierige Rechtsdurchsetzung Die Debatte über die Ausprägungen der Leistungsmerkmale eines SIZ als Uni- versaldienst geht jedoch am eigentlichen Problem, das mit demRASI verbunden ist, vorbei. Das Kernproblem besteht in dem Prozess, der nach dem neuemTKG zu ab- solvieren ist, umeineVersorgungslückemit SIZ durch die BNetzA offiziell festzustellen und durch Bestimmung mindestens eines Unternehmens mit Angebotsverpflichtung zu schließen. Für das Durchlaufen der Schritte dieses bürokratischen Verfahrens, das bis ins Detail in § 160 und § 161 TKG nF vorgegeben wird, muss man mindestens ein Jahr veranschlagen. Wer also sein RASI über eine Beschwerde bei der BNetzA und eine von der Behörde ausgesprochene Universaldienstverpflich- tung durchsetzen will, der sollte ein hohes Maß an Geduld mitbringen. Angesichts der Dynamik der Märkte für „bandbrei- tenhungrige“ Kommunikationsdienste spricht viel dafür, dass zumZeitpunkt der Anspruchsdurchsetzung Endnutzer mit IZD versorgt werden dürften, deren Leis- tungswerte schon nicht mehr das Niveau erreichen, das bei der Mehrheit der End- nutzer mit einem Breitbandanschluss zu beobachten ist. Alles in allem sind die neuenVor- schriften des TKG zum RASI als Univer- saldienst in der Praxis ungeeignet, um die Versorgung mit leistungsstarken Anschlüs- sen zu verbessern. Sie sind ein Beispiel für eine überflüssige Alibi-Regulierung. An ihr halten Politiker in Brüssel auf europäischer und in Berlin auf deutscher Ebene fest, weil sie so plakativ behaupten können, sich für Endnutzerinteressen erfolgreich eingesetzt zu haben. Wirksamere Hebel Versorgungslücken bei schnellen Breit- bandanschlüssen in Deutschland wer- den nicht durch Fortbestand veralteter Regulierungskonzepte geschlossen, die knappe Ressourcen der BNetzA und der IZD-Anbieter durch ein RASI als Uni- versaldienst vergeuden. Stattdessen sollte

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