NET 3 2022
43 www.net-im-web.de 3/22 Verständlich, dass derTelekom-Deutschland- Chef beim Ausbau mehr Tempo fordert, „Genehmigungsverfahren“ dauern zu lange; weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung in den Verfahren sind gefordert. Außerdem soll der Eigenausbau Vorrang vor geför- dertem Ausbau haben. Und auch da wird Augenmaß gefordert. „Mehr Förderung führt nicht automatisch zu mehr Ausbau“, so die Feststellung. Jedenfalls fordern die Telekom-Protagonisten einfachere Prozesse, ein Ausbaubeschleunigungsgesetz und mehr Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Ländern. Spannend auchdas PPP-Projekt der "Gigabitregion Stuttgart", wo 175 Kommu- nen eine Vorzeigekooperation eingegangen sind. Ab jetzt sollen jedes Jahr 100.000 neue Glasfaseranschlüsse ausgebaut werden. 2,8 Mio. Menschen leben dort. 90 % sollen bis 2030 Glasfaser nutzen können. Außerdem sollen 140.000 Unternehmen dort gemeldet sein. Es gibt aber – zum Beispiel in Freiburg – auch Glasfaserausbau-Verhinde- rungsstrategien. Da werden einmal Bäume ins Feld geführt (die auch dieTelekom stehen lassen möchte), dann dürfen keine Saug- bagger anrücken, eine „Mindertiefe“ wird nicht gestattet, Platz für Aushub nicht zur Verfügung gestellt, unnötige Baugruben- begrenzung usw. – verschiedenste Behörden lassen offenbar gerne ihre Muskeln spielen und zeigen, wer was verwaltet. Und wenn dann trotzdemHäuser „versorgt“ sind, gibt es ein weiteres Problem. Wer redet schon von Akzeptanz? Doch wie steht es mit der Akzeptanz? Wol- len die Bundesdeutschen überhaupt die Zukunftstechnik – oder reicht nicht doch die aufgebrezelte Legacy-Technik in Form von Docsis, Vectoring oder Supervectoring? Sowohl beim Netzetag als auch bei der Bilanzpressekonferenz bleibt die Akzeptanz der Glasfaseranschlüsse unange- sprochen. Dabei hat sich der Ex-Monopolist jahrzehntelang geweigert, in diese Technik zu investieren, hat das Letzte aus den alten, nicht nur bilanztechnisch abgeschriebenen Kupfertechniken rausgekitzelt und das Er- reichte als technisch und gesellschaftlich alternativlos dargestellt. Und nun hängen der Telekom und anderen Netzbetreibern die Bestandsinfrastrukturen wie ein Klotz am Bein, wenn es um echte Zukunftstechniken geht. Hier von Kannibalisierung zu sprechen, dürfte nicht verkehrt sein. Laut Bundesnetzagentur (BNetzA) sind Mitte 2021 für rund 62 % der Haus- halte Gigabitgeschwindigkeiten verfügbar, und 90 % haben Zugang zu Anschlüssen mit 100 Mbit/s, der am häufigsten nachge- fragten Bandbreite. „Auf der anderen Seite ist aber auch richtig, dass beim Ausbau rei- ner Glasfasernetze bis in die Gebäude und Wohnungen noch großer Nachholbedarf besteht. Perspektivisch führt zur Deckung der steigenden Bandbreitenbedarfe keinWeg an einem flächendeckenden Glasfasernetz vorbei“, erklärt Jochen Homann, damals noch BNetzA-Präsident bei der Vorlage des Tätigkeitsberichts Telekommunikation 2020/2021. Homann hat den gesamten Markt im Blick – und damit sowohl die Telekom-Anschlüsse als auch die der Wett- bewerber. Von den 7,5 Mio. anschließbaren Glasfaserhaushalten (3,2 Mio. Telekom, 4,3 Mio. Wettbewerber) haben aber nur 2,5 Mio. die Anschlüsse aktiviert, also Verträge abgeschlossen – 800.000 bei derTelekomund 1,7Mio. beiWettbewerbern. Bei derTelekom gibt es demnach eine „Aktivierungsreserve“ von 2,4 Mio. und bei den Wettbewerbern von 2,6 Mio. Haushalten. Auch im Tätigkeitsbericht der BNetzA finden sich kritische Worte: „Die dennoch geringe Verbreitung solcher An- schlüsse ist imWesentlichen auf den hohen Versorgungsgrad mit bestehenden leistungs- fähigen Infrastrukturen (VDSL-Vectoring und HFC-Netze) zurückzuführen. Für die kommenden Jahre wird erwartet, dass sich der FTTH/B-Anteil deutlich erhöhen wird. EinGrund hierfür liegt in der steigendenVer- fügbarkeit von FTTH/B-Anschlüssen durch zunehmende privatwirtschaftliche Investitio- nen und flankierende Förderprogramme von Bund, Ländern undKommunen. Zudem sind Anwendungen wie Videotelefonie oder hoch- auflösende Streaming-Angebote (4K und 8K, Anm. d. Red.)Treiber der Nachfrage, die sich voraussichtlich positiv auf die Take-up-Rate von derzeit etwa 31 % auswirken werden.“ Auch die Monopolkommission – ein un- abhängiges Beratungsgremium, das Bundes- regierung und gesetzgebende Körperschaften auf denGebieten derWettbewerbspolitik, des Wettbewerbsrechts und der Regulierung berät – sieht in ihrem12. Sektorgutachten „Wettbe- werb imUmbruch“ Nachholbedarf in puncto Nachfrage bei FTTH-Anschlüssen. Zwar habe sich die Zahl der Glasfaseranschlüsse von insgesamt 2,9 Mio. im Jahr 2017 auf 7,5 Mio. im Jahr 2021 mehr als verdoppelt, Mit Glasfaserplus zu mehr Anschlüssen Im Auftrag der Glasfaserplus, dem Gemeinschaftsunternehmen der Deutschen Telekom und IFM Investors, einem australischen Anbieter von Wertpapierdienstleistungen, werden durch die Telekom derzeit u.a. in den Städten Steinach und Bad König insgesamt rund 5.400 Glasfaseranschlüsse gebaut. Danach vermietet Glasfaserplus die Netze anbieteroffen an alle TK-Anbieter. Die Nutzer haben damit die freie Wahl, bei wem sie Telefon, Internet oder Fernsehen buchen möchten. Für den Ausbau in Steinach und Bad König hat die Telekom bereits angekündigt, die Netze der Glasfaserplus nutzen und ihre Dienste anbieten zu wollen. Auch diese Anschlüsse sind während der Ausbauphase kostenfrei, sofern ein Glasfasertarif bei einem TK-Anbieter gebucht und eine Genehmigung für die Anschlussherstellung vorliegt. Immobilienbesitzer bzw. Verwalter können diesen sog. HTN (Auftrag zur unentgeltlichen Herstellung eines Telekommunikationsnetzes) im Internet erteilen. Bei einer Buchung nach der Ausbauphase kostet der Hausanschluss einmalig 799,95 €. Akzeptanz der Glasfaser könnte besser sein
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