NET 03/2023
27 www.net-im-web.de 3/23 Gesundheitseffekte von 5G-Netzen schaftlichen Apparats (134 Seiten, insbesondere tabellarische Übersicht ausgewerteter Studien). Aussagen zu 5G Es besteht hier nicht die Option, imDetail die vielfältigen Berichtsaussagen umfassend kritisch zu würdigen. Stattdessen soll nur knapp auf die Ergebnisse zu gesundheit- lichen HF-EMF-Folgen von Mobilfunk- netzen der fünften Generation (5G) ein- gegangen werden (siehe dazu insbesondere S. 9, 14-16, 20 und 150-156). Quintessenz des Berichts ist, dass hierzu keine gesicherten Aussagen möglich sind, vor allem weil aus der Praxis des 5G- Netzbetriebs (noch) keine hinreichend lan- gen Datenzeitreihen zur Verfügung stehen. Als Konsequenz aus dem eingeschränkten Wissensstand wird die Notwendigkeit be- tont, „verantwortungsvoll und vorsorgend auf … Gesundheitsbefürchtungen einzu- gehen“ (S. 153). Dies bedeutet u.a. „die niedrigste vernünftig erreichbare Belastung“ (mit HF-EMF) anzustreben und „neue Wege des Dialoges angesichts des hohen Bedarfs an Austausch der unterschiedlichen Akteure“ (S. 154) zu gehen. Allgemeinere und handlungsfernere Aussagen sind kaum vorstellbar. Bewertung Im Ganzen ist stark zu bezweifeln, dass der Deutsche Bundestag mit der TA eine passable neutrale, umfassende und aktuelle Informationsbasis für die Befassung mit forschungs-, gesundheits- und technologie- politischen Aspekten der gesundheitlichen Folgen von HF-EMF bei 5G-Netzen er- hält. Für diese Bewertung sprechen drei Hauptgründe. Erstens wurden zentraleTeile des Berichts durch Mitarbeiter der Schwei- zerischen Forschungsstiftung Strom und Mobilfunkkommunikation (FSM) ver- fasst. Sie wird nahezu vollständig von Mobilfunk- und Stromnetzbetreibern in der Schweiz finanziert. Diese Verflechtung ist keine gute Voraussetzung für eine von Industrieinteressen losgelöste, wissenschaft- lich neutrale Aufarbeitung des Forschungs- standes. Zweitens ist der Bericht nicht einmal ansatzweise umfassend , da er imHin- blick auf inhaltliche Schlussfolgerungen für den Umgang mit 5GHF-EMF viel zu sehr auf demNiveau vonGemeinplätzen verharrt (s.o.) und weder regulative noch budgetäre Implikationen hinreichend differenziert diskutiert. Er stellt zudem im Einklang mit dem Bundesamt für Strahlenschutz stark auf die ICNIRP-Meinung (International Commission on Non-Ionizing Radiaton Protection) zu gesundheitlichen HF-EMF- Aspekten u.a. bei 5G ab. Immerhin wird auf die Problematik der ICNIRP-Expertensicht hingewiesen (S. 11, 156); die relativieren- den Hinweise bleiben aber ohne materielle politische Konsequenzen. Drittens ist die Informationsbasis des Berichts keineswegs aktuell . Die Gut- achten, auf denen die TA beruht, wurden in den Jahren 2017 bis 2019 fertig gestellt (s.S. 157); in den letzten drei Jahren erschie- nene Studien sind deshalb fast gar nicht in den Bericht eingeflossen. Der Entwurf des Berichts wurde imNovember 2020 (!) den Bundestagsfraktionen vorgelegt. Sie be- nötigten 20Monate bis Juli 2022, um sich im relevanten Ausschuss auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner auf eine weich ge- spülte relativierende Kompromissfassung zu verständigen. Weitere sieben Monate verstrichen bis zur Veröffentlichung durch den Bundestag in einer offiziellen Druck- sache. „Highspeed-Politik“ sieht anders aus. Lehren Die vorangehenden Ausführungen sollten nicht einfach als belanglose Meckereien abgetan werden. Aus ihnen lassen sich auch Lehren für die Zukunft ziehen. Zum einen sollte der Bundestag noch stärker auf die wissenschaftliche Un- befangenheit von Fachgutachtern Wert legen. Außerdem sind die Prozesse bei TA-Berichten zu beschleunigen, damit gerade bei Themen im Bereich digitaler Netze die Ergebnisse so rechtzeitig vor- liegen, dass ihnen noch hohe Relevanz für die Politik zukommt. Die Diskussion um negative gesundheitliche Wirkungen hochfrequenter Mobilfunkstrahlung wird in Deutschland seit Jahren intensiv und kontrovers geführt (Foto: Mirko Sajkov, pixabay)
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