NET 4/2022

51 www.net-im-web.de lisieren. Bisher behindert die Sorge, durch eine Gewährung von Datenzugang ohne eindeutige Nutzungsgrenzen für die Emp- fängerWettbewerbsnachteile zu erleiden, gegen Datenschutzrechte der Nutzer oder gegen Rechte anderer Datengeber zu ver- stoßen, die Entstehung einer prosperie- renden Datenwirtschaft in Deutschland und der EU. Um europaweit harmonisiert diese rechtlichen Unsicherheiten zu be- seitigen, veröffentlichte die Europäische Kommission am23. Februar den Entwurf eines Datengesetzes (Data Act [DA-E]; siehe https://ec.europa.eu/newsroom/ dae/redirection/document/83521). Das Gesetz, das nach Zustimmung durch das Europäische Parlament und den Europäi- schen Rat ein Jahr nach seinem Inkraft- treten ohne Anpassungen auf nationaler Ebene in allen EU-Staaten angewendet werden soll, enthält in seinen Abschnitten II bis IV elf Artikel, die Grundregeln dazu aufstellen, wem und wie Hersteller ver- netzter Produkte und damit verbundener Services Nutzungsdaten zugänglich zu machen haben (siehe Grafik auf Seite 52). Grundregeln Datenteilung Der DA-E sieht in Art. 3 Abs. 2 inVerbin- dung mit Art. 7 Abs. 1 vor, dass Hersteller vernetzter Produkte, die mindestens 50 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsumme von mehr als 10 Mio. € haben, potenzielle Nutzer ihrer Angebote schon bei Abschluss eines Kauf-, Miet- oder Leasingvertrags umfassend über die geplante Einsatzdatenerhebung einschließlich derWege, umdie von ihnen erzeugtenDatenDritten zur Verfügung zu stellen, informieren müssen. Außerdem haben gemäß Art. 4 Abs. 1 Hersteller gespeicherte Produktverwendungsdaten (z.B. Reifenabnutzungsgrad eines Pkw) Nutzern auf deren Anfrage unverzüglich und unentgeltlich elektronisch zugänglich zumachen. Nutzer dürfenHersteller dazu anhalten, ihre Einsatzdaten direkt anDrit- te zurWeiterverarbeitung zu transferieren (Art. 5 Abs. 1). Datenempfangende Dritte sollen mit pflichtunterworfenen Her- stellern Zugangsverträge zu „fairen, an- gemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen“ (Art. 8 Abs. 1) schließen. Sofern es sich bei dem Datenempfänger nicht um ein Großunternehmen handelt, schützt der DA-E ihn gegen einseitig vom Datenbesitzer auferlegte Vertragsbedin- gungen dadurch, dass er in Art. 13 Abs. 3 und 4 eine Liste von Klauseln angibt (z.B. Begrenzung der Haftung des Datenbesit- zers bei bewusstemoder fahrlässigemFehl- verhalten), die stets oder möglicherweise verboten sind. Als Großunternehmen klassifiziert der DA-E Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als 50 Mio. € oder einer Jahresbilanzsumme von mehr als 43 Mio. € (Art. 13 Abs. 1). Daten- abgebende Hersteller dürfen mit Dritten gemäß Art. 9 ein angemessenes Entgelt für den Zugang vertraglich vereinbaren. Bei der Wahl von Dritten schränkt Art. 5 Abs. 2 Nutzer allerdings insofern ein, als dass Betreiber sehr großer Online- Plattformen (= gemäß Art. 3 des Digital Markets Act Entwurfs der Kommission vom 15. Dezember 2020 als Gatekeeper eingestufte Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook oder Apple; sieheNET 3/2021, S. 35-39), nicht mit Einsatzdaten von Produkten anderer Hersteller versorgt werden dürfen. Die Kommission erhebt den Anspruch mit den skizzierten Zugangs- interventionen Fairness bei der Verteilung des wirtschaftlichenWertes von Einsatz- daten vernetzter Produkte sicherzustellen und so einen bedeutsamen Beitrag zur Entwicklung einer europäischen Daten- wirtschaft zu leisten. Dieses Selbstlob ist überzogen, da der Gesetzesvorschlag nicht nur Schwächen imDetail, sondern fundamentale Defizite auf mindestens fünf Feldern aufweist. Lücke bei digitalen Produkten Erstens werden durch den DA-E rein digitale Produkte nicht erfasst (vgl. Art. 2 Nr. 2 bis 4). Das Gesetz greift nur für materielle Waren mit digitalen Kom- ponenten, unabhängig davon, ob die Komponenten für die Funktionserfül- lung der Produkte unverzichtbar sind (vgl. als relevante deutsche Vorschrift § 327a Abs. 3 S. 1 BGB), sowie mit ihnen verbundene Dienste (z.B. vernetzter Kaf- feeautomat mit Nachbestellungsservice). Nicht eingeschlossen sind Datenzugang und -nutzung bei digitalen Inhalten oder Dienstleistungen, die keine Hardware be- inhalten (vgl. als relevante deutsche Norm § 327 Abs. 1 bis 2 BGB). Hierzu gehören etwaMusik- undVideostreaming/-down- Bisher behindert die Sorge, gegen Datenschutzrechte der Nutzer oder gegen Rechte anderer Datengeber zu verstoßen, die Entstehung einer prosperierenden Datenwirtschaft in Deutschland und der EU (Foto: Pete Linforth, pixabay) Stärkere Impulse für das Heben von Datenschätzen 04/22

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