NET 4/2022
54 www.net-im-web.de über niedrigere Preise und höhere Quali- tät der Produkte und Dienste der Wei- terverwerter von Daten auch Vorteile haben. Es darf stark bezweifelt werden, dass allein dies als Anreiz zur wesentlich intensiveren Wahrnehmung eigener Zu- gangsrechte ausreicht. Folglich sollte der DADatenweiterverwerter dazu anhalten, Nutzer analog zu Herstellern finanziell angemessen an ihren Zusatzgewinnen aus dem Datenzugang zu beteiligen. Jenseits finanzieller Vorteile las- sen sich Hersteller- bzw. Nutzeranreize zum Angebot bzw. zur Nachfrage ver- netzter Produkte dadurch steigern, dass Gatekeeper nicht ohne jegliche Möglich- keit zur Einzelfallprüfung der Situation auf dem Markt für bestimmte Einsatzdaten apodiktisch als Empfänger der Daten ausgeschlossen werden. Dieses pauschale Vorgehen in Art. 5 Abs. 2 lässt außer Acht, dass es Situationen auf Datenmärkten geben kann, in denen ein Datenzugang für Gatekeeper die einzige Option ist, dass Hersteller und Nutzer von der Daten- weiterverwertung durch einen Dritten profitieren können, weil keine hinreichend leistungsfähigen alternativenDrittparteien für zusätzliche Verwertungen vorhanden sind. Deshalb sollte der DA – ähnlich wie deutsche Kartellrechtsvorschriften (§19, §19a und §20 GWB) – es den zustän- digen Aufsichtsbehörden ermöglichen, auf sachlichen begründeten Antrag von Gatekeepern hin Letzteren Ausnahmen vomDatenzugangsverbot zu genehmigen. Scheintransparenz Viertens baut der DA-E für Produktnutzer die Transparenz bezüglich der gesammel- ten Einsatzdaten durch vorvertragliche Informationsauflagen für Hersteller in Art. 3 Abs. 2 de facto nicht genügend aus, weil sie – wie schon die Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation und dieDatenschutz-Grundverordnung – dazu führen, dass durchschnittliche Nutzer aufgrund der Fülle der Angaben sie nicht mehr kritisch durchdringen. Deswegen sollte der DA-E durch Vorschriften zur Einführung von Zertifikaten, die sich Hersteller freiwillig im Hinblick auf die Konformität von bei der Produktnutzung gesammelten Daten mit den Interessen der Nutzer erteilen lassen können, oder zu vergleichbaren softwaregestützten Verfahren, die von vertrauenswürdigen Instanzen zur Verfügung gestellt werden können, erweitert werden. Die Kommis- sion kann sich diesbezüglich prinzipiell an § 26 des deutschenTelekommunikati- on-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes ein Beispiel nehmen. Schwache Rechtsdurchsetzung Fünftens fehlt es dem DA-E an Durch- schlagskraft, weil er nur stiefmütterlich Möglichkeiten für Nutzer, Hersteller und Dritte schafft, mit dem Gesetz einge- räumte Rechte, rasch und mit niedrigen Kosten praktisch durchzusetzen. Zwar sieht der DA-E in Art. 10 hierfür staatlich geprüfte außergerichtliche Institutionen zur Streitbeilegung als vermeintlich „ein- fache, schnelle und niedrige Kosten ver- ursachende Lösung“ (Erwägungsgrund 48) vor, die Entscheidungen innerhalb von 90Tagen treffen und von mindestens einer Behörde in denMitgliedstaaten der EU überwacht werden sollen. Es fehlen aber ausreichend konkrete Normen, die eine entsprechende Ressourcenausstattung dieser Institutionen und Behörden auf nationaler Ebene sicherstellen.Weiter sagt der Entwurf mit Ausnahme des Diskri- minierungsverbots bei Zugangsverträgen (Art. 8 Abs. 3) und des Fairnesstests für Vertragsklauseln, die jeweils für kleine und mittelgroße Datenempfänger gelten sollen (Art. 13 Abs. 5), nichts dazu, ob derjenige, der eine Rechtsverletzung be- hauptet, oder derjenige, der sich mit dem Vorwurf eines Verstoßes gegen das Gesetz konfrontiert sieht, imStreitfall die Beweis- last tragen soll. Solche Beweislastregeln (z.B. bei potenziellen Verletzungen von Geschäftsgeheimnissen) haben aber große Bedeutung für die praktische Rechts- durchsetzung. Es ist deshalb notwendig, sie auszuweiten. Fazit Alles in allem beruht der DA-E auf der Annahme, dass es sinnvoll ist, branchen- übergreifende Grundregeln für den Zugang und die Nutzung von Daten zu schaffen, die von Besitzern vernetzter Produkte bei deren Verwendung mehr oder minder bewusst erzeugt werden. Deshalb muss er naturgemäß an vielen Stellen inhaltsarm bleiben. Es ist deshalb eher abwegig, dass eine horizontale Regulierungsstrategie der besteWeg zur Forcierung der Datenwirt- schaft in der EU sein könnte. Viel spricht dafür, dass stattdessen branchenbezogene, vertikale Zugangs- und Nutzungsrechte, -pflichten und -anreize, wie es sie beispiels- weise schon in der Automobilindustrie gibt, wirksamer sein dürften. Es ist aber unrealistisch davon auszugehen, dass auf EU-Ebene Parla- ment und Rat die DA-Initiative der Kommission versanden lassen werden. Umso unverständlicher ist es, dass die derzeitigen Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag vom 24. November 2021 auf Seite 17 noch vollmundig ein nationales Datengesetz für Deutschland in Aussicht stellen. Für ein solches Ge- setz lässt der DA-E keinen Raum. Viel wichtiger ist es, dass sich die Vertreter Deutschlands angesichts dessen, dass im bevorstehenden legislativen Prozess, der aufgrund der Komplexität und des Streitpotenzials der Materie nicht vor 2025 in eine Gesetzesanwendung in der EU münden dürfte, dafür einsetzen, zu- mindest die aufgezeigten fundamentalen Schwächen des Kommissionsvorschlags zu reduzieren. Stärkere Impulse für das Heben von Datenschätzen 04/22
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjE2Mzk=