NET 4/2023

48 www.net-im-web.de 4/23 Zweifel an der Aussagefähigkeit und zum anderen keine anonymisierte Fassung der Capex-(Grenz-)Werte auf- grund von „Vertraulichkeitsvereinbarun- gen“ zugänglich gemacht wird. Manmuss also darauf hoffen, dass die Fachebene im BMDV darauf geachtet hat, dass die Stichproben und sonstigen Befragungen gültige Aussagen zulassen. Materiell wesentlich proble- matischer ist, dass bei der EWA-Berech- nung nicht die Wahrscheinlichkeit, dass Privathaushalte und Unternehmen einen Glasfaseranschluss nachfragen, direkt be- rücksichtigt wird. Diese Wahrschein- lichkeit wird ihrerseits wesentlich von Konkurrenzangeboten (insbesondere „Überbau“ durch Telekom Deutsch- land oder Docsis-3.1-Angebote durch Breitbandkabelnetzbetreiber) und die Wirtschaftskraft möglicher Nachfrager in einer Region beeinflusst. Diese Lücke wirft starke Zweifel an der Aussagekraft der Analysen von Baischew et al. auf. Analyseergebnisse Ungeachtet dieser Bewertung fasst die Tabelle zentrale Ergebnisse der Studie im Hinblick auf die drei Indikatoren EWA (Spalte [1]), Ist-Versorgungsanteil mit Gigabitanschlüssen (Spalte [2]) und Ist-Versorgungsanteil mit FTTB/H-An- schlüssen (Spalte [3]) zusammen. Die Korrelationen der Indikatoren in den Spalten 1 und 2, 2 und 3 sowie 1 und 3 belaufen sich auf 0,42, 0,43 und -0,23. Demnach lassen sich 91 % bzw. 9%der Privathaushalts-/Unternehmens- adressen in Deutschland eigenwirtschaft- lich ohne staatliche Subventionen bzw. nur bei staatlicher Förderung mit FTTB versorgen (siehe Spalte [1] in derTabelle). Überdurchschnittlich ist der EWA in den drei dicht besiedelten Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen sowie im Saarland. Unterdurchschnittlich ist der EWA in Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Brandenburg. Es fällt auf, dass in Schleswig-Holstein undNiedersachsen zwar der EWA unter dem Mittelwert Deutschlands liegt, aber die Indikatoren in den Spalten [2] und [3] überdurch- schnittliche Ausprägungen haben. Dies spricht dafür, dass die Regierungen dieser zwei Bundesländer herausragend früh günstige Bedingungen für den Ausbau von Gigabitnetzen kreiert haben. Hin- gegen ist gemäß der Untersuchung von Baischew et al. trotz hohem EWA die Schaffung solcher Voraussetzungen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-An- halt weniger gut gelungen. Polemisch könnte man die beiden zuerst erwähnten Bundesländer als Gigabitpioniere bei wüstenähnlichen Verhältnissen und die der drei zuletzt aufgezählten Länder als Gigabitsteppen trotz hohemGrundwasser charakterisieren. Fazit Die vom BMDV beauftragte Studie ist methodisch auf einer Mikroebene fach- lich gut vertretbar angelegt. Auf einer Makroebene überzeugen ihre Resultate jedoch nicht voll. Das zugelassene Vor- gehen lässt Raum für die Vermutung, dass die Ausklammerung von Konkur- renz- und Nachfragesituationsvariablen vom BMDV goutiert wurde, um den EWA für Wettbewerber von Telekom Deutschland nicht drastisch zu senken und in der Konsequenz den öffentlichen Förderbedarf, der beim Finanzministe- rium anzumelden gewesen wäre, nicht enorm zu erhöhen. Das BMDV sollte dieser Überlegung rasch entgegentreten, indem es die Analysen von Baischew und Kollegen durch Einbezug vonWett- bewerbs- und Wirtschaftskraftaspekten erweitern lässt. Die vom BMDV beauftragte Studie ist methodisch auf einer Mikroebene fachlich gut vertretbar angelegt. Auf einer Makroebene überzeugen ihre Resultate jedoch nicht voll (Foto: Gerd Altmann, pixabay) Das BMDV fördert seit 2015 den Ausbau von FTTB/H-Anschlüssen mit Steuergeldern

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