NET 4/2024
40 www.net-im-web.de 04/24 Simulated Annealing genutzt, unter anderem beim maschinellen Lernen, bei physikalischen Simulationen und in der Logistik. Die Methodik wird zum Beispiel zur Lösung des klassischen Travelling-Salesman-Problems eingesetzt, zur Schaltkreisoptimierung oder zur Planung von Lieferketten. Die Einsatzfelder betreffen alle- samt die Optimierung und nennen sich in der Informatik NP-Probleme. Sie lassen sich nicht mit Computeralgorithmen in soge- nannter polynomialer Rechenzeit berechnen. Das bedeutet vereinfacht ausgedrückt: Kein Algorithmus kann in vernünftiger Zeit eine exakte Lösung liefern. Der Ausweg aus dem Dilemma ist ein iterativer Algorithmus, der auf heuristischemWeg eine möglichst gute, oft auch die exakte Lösung liefert. Das Verfahren lässt sich auch für die Netzoptimierung in der Telekom- munikationsbranche nutzen. Beispiel: Ein Mobilfunknetz besteht aus mehreren Zu- gangspunkten (Routern), die jeweils einen Haupt-, einen Backup- und einen weiteren Router benötigen. Angenommen, es gibt eine begrenzte Anzahl zentraler Knotenpunkte, aus denen ausgewählt werden muss. Die Herausforderung besteht darin, die optimale Zuordnung zu finden, die eine effiziente Datenübertragung gewährleistet. Die Anzahl der möglichen Kombinationen ist astrono- misch hoch, und traditionelle Methoden würden unpraktikabel lange Rechenzeiten erfordern. Hier zeigt Simulated Annealing sein Potenzial, indem es in kurzer Zeit prak- tikable Lösungen ermittelt. Netze seltener voll ausgelastet In einem fiktiven Musternetz benötigen 17 Mobile-Access-Network-Router je einen Main-, Backup- und Other-Router. Für die Wahl des Main-Routers stehen fünf Mobile- Aggregation-Network-Router zur Auswahl, für die Wahl des Backup-Routers die noch übrigen vier und für dieWahl des Other-Rou- ters die verbleibenden drei Router. Daraus ergeben sich 5 x 4 x 3 = 60 Kombinations- möglichkeiten. Diese Rechnung wurde mit ins- gesamt 17Mobile-Access-Network-Routern durchgeführt. Die entsprechende Auswahl ist dabei für jeden Router unabhängig von der Auswahl für alle anderen Router – es gibt also 60 voneinander unabhängige Möglichkeiten für 17 Mobile-Access-Network-Router. Das sind insgesamt 6017 = 1.692.665.944.4 73.600.000.000.000.000.000Möglichkeiten und entspricht zirka 1,7 x 1030 Kombina- tionen. In einem Test mit echten Daten konnte die maximale Auslastung mithilfe von Simulated Annealing von mehr als 80 % auf zirka 44 % reduziert werden, also um rund 35 Prozentpunkte. Kein heiliger Gral der Netzplanung Der Einsatz des Optimierungsverfahrens bedeutet jedoch nicht, dass die vorhande- nen Netze hardwaretechnisch so bleiben können, wie sie sind, und die Mathematik den Rest regelt. Kapazitätserweiterungen und physische Anpassungen der Infrastruktur werden auch künftig wichtig bleiben. Dazu kommen Negativeffekte: Die Latenz kann für den Einzelnen kurzzeitig steigen, weil Datenpakete nun umgeleitet werden, die ohne Anwendung der Optimierung schnel- Das Simulated-Annealing-Verfahren bietet einen innovativen Ansatz zur Netzoptimierung. Durch die schrittweise Erkundung und Bewertung unterschiedlicher Konfigurationen findet es Lösungen für die Datenverkehrsleitung und spart Rechenzeit (Grafik: Sopra Steria) Franziska Schmidt Die Herausforderung für alle Netzbetreiber besteht darin, eine Art Echtzeit-Verkehrsleitung zu etablie- ren, die über die starren Pfade traditioneller Netze hinausgeht Andreas Lattoch Mobilfunknetzbetreiber werden von Netzoptimie- rungsverfahren wie Simulated Annealing signifkant proftieren, denn sie helfen als Treiber neuer Ge- schäftsmodelle
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjE2Mzk=