NET 05/2021
50 www.net-im-web.de 05/21 Medien- und Digitalpolitik Bündnis 90/Die Grünen Die Grünen wollen, dass die öffentlich- rechtlichen Rundfunksender „stark und zukunftsfest“ (95) aufgestellt werden, „alle gesellschaftlichen Bereiche“ (95) abdecken und eine „ausreichende Finanzierung“ (95) erhalten. Deren gegenwärtig frag- mentierte Mediatheken will die Partei „zu gemeinsamen Plattformen weiter- entwickeln“ (95), die mit einer „werbe- freie[n], offen[en] und multilingual[en] europäische[n] digitale[n] Plattform in öffentlicher Hand“ (114) verzahnt werden sollen. Damit sich die deutschen Sender aber nicht zu entspannt zurücklehnen und um dem derzeit allgemein spür- baren Unbehagen an deren schwachen Reformwillen im Hinblick auf Effizienz sowie Angebotsbreite und -tiefe bei der herkömmlichen linearen sowie der Ver- breitung über das Internet Rechnung zu tragen, möchten die Grünen gleichzeitig „eine Debatte darüber führen, wie öffent- lich-rechtliche Medien im 21. Jahrhun- dert aussehen sollen“ (95). Dazu, welche Konsequenzenmit der Debatte angestrebt werden, äußert man sich jedoch nicht. Ebenso widmet das Programm der Frage keinWort, wie für private Presse- verlage und Rundfunkveranstalter gegen- über unverändert großzügig finanzierten öffentlich-rechtlichen Sendern mit aus- geweiteter Netzpräsenz faireWettbewerbs- chancen geschaffen werden sollen. Die Geringschätzung privater Anbieter von Publikumsmedien zeigt sich darin, dass die Grünen zwar „bei kulturellenWerken ... für Urheber*innen eine angemessene Vergütung“ (109) sichern wollen. Ob zu solchenWerken auchVideoclips der Fuß- ballbundesligen oder kurze Pressetexte von Unternehmen gehören sollen, die als Ba- gatellnutzungen gemäß § 10 des Entwurfs der Bundesregierung vom 9. März 2021 für ein kurz vor dem Inkrafttreten stehen- des Urheberrechts-Diensteanbieter-Ge- setz [http://dipbt.bundestag.de/dip21/ btd/19/274/1927426.pdf ] demnächst bis zu 15 s bzw. 160 Zeichen durch jeden im Netz nicht kommerziell verbreitet werden dürfen, wird nicht erörtert. Alles in allem fehlen in dem Programm der Grünen bezüglich ihrer Pläne für den ÖRR und privatwirtschaft- lichen Mediensektor inhaltlich halbwegs eindeutige Konturen. FDP Die FDP plädiert für eine „Auftrags- und Strukturreform“ (41) des ÖRR, der sich sowohl bei der Verbreitung seiner Pro- gramme auf den klassischen Wegen als auch im Internet „primär auf Nachrichten, Kultur, politische Bildung undDokumen- tationen konzentrieren soll“ (41). Mit dieser Ausrichtung wollen die Liberalen die Wettbewerbschancen „privater Pres- se- und Medienhäuser“ (42) sowie „die Medien- und Meinungsvielfalt erheblich stärken“ (42). Die Stärkung soll durch ein Urheberrecht flankiert werden, das dazu beiträgt, „dass geistige Werke leicht zugänglich“ (48) bleiben, aber dennoch „Erträge aus der Verwertung kreativer Leis- tungen ... denUrhebern und den weiteren Berechtigten zufließen“ (48). Das soll im Netz „durch eine Bagatellklausel für private Nutzungen“ (48) erreicht werden. Inwiefern die Gestaltung einer solchen Klausel in dem o.g. Gesetzentwurf der Bundesregierung den Vorstellungen der FDP entspricht, ist nicht zu erkennen. Klar, aber ohne jegliche Begründung, sprechen sich die Liberalen indes gegen ein „Leistungsschutzrecht für Pressever- leger“ (48) aus. Zwischenfazit In einer Gesamtschau ähneln sich die Positionen der Linken, SPD und Grünen im Hinblick auf das ÖRR-System sehr stark. Die drei Parteien stellen es nicht ansatzweise in Frage und wollen das Sys- tem im Internet stärken. Kritische Töne bezüglich der Systemeffizienz sind bei ihnen kaum zu vernehmen. Privaten An- bietern von Publikumsmedien begegnen sie mit Skepsis, was sich unter anderem im Unverständnis für Maßnahmen zur Ver- besserung urheberrechtlicher Positionen solcher Unternehmen widerspiegelt. Zu diesen Wertungen setzt die FDP einen durch Vertrauen in marktwirtschaftliche Prozesse und privatautonomes Handeln geprägten Kontrapunkt. Linke, SPD und Grünen ähneln sich im Hinblick auf das ÖRR-System und wol- len es im Internet stärken. Die FDP setzt Vertrauen in marktwirtschaftliche Pro- zesse und privatautonomes Handeln.
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