NET 05/2023
17 www.net-im-web.de 5/23 TV -UHF-Frequenzen imKrisenfall auf 100MHz zurückgreifen zu können, nachvollzieh- und irgendwie auch akzeptierbar. Entscheidungsalternativen Mittlerweile scheint die amtliche Frequenz- diskussion auf drei Entscheidungsalternativen hinauszulaufen: • NoChange:Wunschprogrammder Alli- anz für Rundfunk- und Kulturfrequen- zen, entspricht dem Koalitionsvertrag und wird von vielen Nachbarländern mitgetragen, so u.a. Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland, Großbritan- nien, Bulgarien. Die Interessen der BOSen können durch eine prioritäre Nutzung des 700- oder 800-MHz-Ban- des befriedigt werden. Allerdings, auch der Rundfunk muss sparen und mög- licherweise einige lineare Programme und Senderkapazitäten eindampfen, ähnlich wie schon jetzt bei der BBC. • ko-primär: bevorzugt vom kommer- ziellen Mobilfunk und der BDBOS; wird unterstützt u.a. von Finnland, Schweden, Dänemark, Niederlande. Eine auch von der BDBOS sowie der EU-Kommission unterstützte ko-pri- märe Zuweisung wird durch die ARK abgelehnt, führe sie doch „bislang immer zu einer Nutzung durch den kommer- ziellen Mobilfunk“. • sekundäre Zuweisung: Rundfunk verbleibt, Mobilfunk wird sekundär zugewiesen; dürfte zu einem Verlust an Frequenzressourcen führen und wird sowohl vom Rundfunk als auch PMSE abgelehnt, hingegen unterstützt als „Kompromissvorschlag“ der Radio Spectrum Policy Group, einem Bera- tungsgremium der EU. Ob es aber zur WRC-23 eine einheitliche europäische Position seitens der Kommission oder gar des Parlaments geben wird, bleibt abzuwarten. Da Ein- und Überstrahlungen aus und in Nachbarländer nicht zu verhindern sind, dürfte eine BOS-Nutzung der TV-UHF- Frequenzen in Deutschland lediglich in einer kleinen Region rund umKassel mög- lich werden. Die „Kasseler Banane“ kann und sollte aber wohl nicht die Lösung sicherheitskritischer Kommunikation be- deuten. Lanze für ko-primäre Zuteilung Auf dem kürzlich stattgefundenen Euro- päischen Polizeikongress ist es vor allem Thomas Scholle, Abteilungsleiter Strategie und CTO Breitbandkommunikation in der BDBOS, der die Notwendigkeit der mobilen Breitbandkommunikation anhand zahlreicher Beispiele verdeutlicht. So spricht er vom Zugriff auf zentrale Datenbanken, Übertragung von Fingerabdrücken, Live- und Fahndungsbildern. Das alles und noch viel mehr möchte die BDBOS mit einem bundeseinheitlichen Netz möglich machen. Und das „muss ausfallsicher, hochverfügbar und abhörsicher sein“, so Scholle. Und er macht auch deutlich, dass „kommerzielle Mobilfunknetze nicht einsatzkritisch“ sei- en. Trotzdem wird es – zumindest für eine Übergangszeit – ohne die kommerziellen Netze nicht gehen. So will die BDBOS den BOSen einen gemeinsamen Rahmenvertrag über verschiedene kommerzielleMobilfunk- netze anbieten, so dass BOS-Kräfte eines der drei kommerziellenMobilfunknetze nutzen können, dürfen in einen Vertrag des Bundes wechseln, behalten faktisch ihre SIM-Karte und erhalten zunächst mal ein gemeinsa- mes Look & Feel. Daran schließt sich die Phase Eins mit einem eigenbeherrschten Kernnetz an, woran die drei kommerziellen Mobilfunknetze angeschlossen sind. Damit soll Sprachkommunikation erstmalig über Breitband möglich sein. Das Tetra-Netz bleibt nach wie vor noch aktiv, „Totgesagte leben länger“, muss auch Scholle zugeben. Danach soll in Phase 2 ein eigenes Funk- und Zugangsnetz errichtet werden. Die bisherigen rund 5.000 Standorte werden für Breitband nicht reichen. Der BDBOS- Stratege denkt zunächst an die Mitnutzung kommerzielle Standorte. Vor allem: „Man braucht die Frequenzen!“ Konkret: „Wir als BDBOS kämpfen gemeinsam mit den Ländern ganz intensiv dafür, ein großes Frequenzpaket von 60MHz in dem Bereich zu kriegen.“ Aber erst in Phase 3 sei geplant, dasTetra-Netz abzuschalten. „Doch das wird definitiv erst im nächsten Jahrzehnt sein“, so Scholle. Und für die anstehende Frequenz- fragenentscheidung rechnet er wohl eher mit einer Entscheidung für eine ko-primäre Nutzung durch die BOSen. Die Kasseler Banane hält er für kein starkes Argument, würde vielmehr von den Pro- tagonisten des terrestrischen Fernsehens strapaziert. Dafür gäbe es immer weniger Teilnehmer. „Das lineare Fernsehen wird Anfang des nächsten Jahrzehnts nicht mehr in der Form da sein, wie wir es heute ken- nen“, so Scholle. Allerdings sei es „alles andere als leicht mit den Kulturschaffenden da zu einem gemeinsamen Statement zu kommen“. Auch Robin Friedrich, Manager Converged Network Development bei Vodafone, kämpft mit den anderen Netz- betreibern zusammen, um „erstmal auf der World Radio Konferenz im Schulterschluss mit der BOS darum, dass das Spektrum ge- widmet wird für mobile Kommunikation“. Er glaubt nicht, „dass Fernsehen auch in Zukunft noch so wichtig sein wird, als dass die Frequenz da nötig ist“. Und dann setzt er einen vorsichtigen Kontrapunkt, macht deutlich, dass die öffentlichen Mobilfunk- netze durchaus den sicherheitskritischen Bedarfen der BOSen gerecht werden und die beiden Optionen Priorisierung und Sli- cing optional zubuchbar seien. Und für die PMSE-Dienste (Programme Making and Special Events) gäbe es „smarte Lösungen, die uns als Netzbetreiber nicht stören und die auch hier die Kulturschaffenden zufrie- denstellen“. Allerdings – welche Bänder hier verfügbar sein sollen, verrät Friedrich nicht.
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