NET 05/2023

37 www.net-im-web.de 5/23 Blitz- und Überspannungsschutz Wird davon abgewichen und stattdessen eine Risikoanalyse nach DIN EN 62305-2 durchgeführt, so ist dennochmindestens LPL II zu realisieren – auch wenn das Ergebnis der Risikoanalyse eine niederwertigere Blitz- schutzklasse als LPL II ergibt. Normative Vorgaben beachten Die EN 50600 (in Deutschland: DIN EN 50600) „Informationstechnik – Einrichtun- gen und Infrastrukturen von Rechenzentren“ ist die erste europaweite Norm, die sich mit einem ganzheitlichen Ansatz und um- fassenden Vorgaben für die Planung, den Bau und den Betrieb eines Rechenzentrums befasst. Im Teil 2-2 der Norm DIN EN 50600 „Stromversorgung und Stromver- teilung von Rechenzentrumseinrichtungen und -infrastruktur“ werden Maßnahmen zum Blitzschutz gefordert. Konkret nimmt dieser Teil dabei Bezug auf die komplette Normenreihe DINEN 62305 „Blitzschutz“. Im Rahmen der Planung sind gesetzliche Vorgaben, normative Forderungen sowie eventuell notwendige Zertifizierungen (wie z. B. TSI-Standard V4.2) zu beachten. Kern- elemente eines ganzheitlichen Schutzkonzepts sind: • Erdungssystem; • äußerer Blitzschutz; • Gebäudeschirmung und Potentialaus- gleich; • Überspannungsschutz. Die zur Planung und Umsetzung von Blitz- und Überspannungsschutzmaßnahmen in Rechenzentren wichtigsten Normen zeigt Bild 2. Erdung Das Erdungssystem eines Rechenzentrums hat vielfältige, wichtige Aufgaben. Es ist die Basis für die Personen- und die funktionelle Sicherheit sowie für wichtige Schirmungs- maßnahmen gegen schädliche elektromag- netische Einkopplungen (LEMP – Lightning Electromagnetic Pulse). In einem Neubau- projekt ist die Erdungsanlage die Grundlage der elektrotechnischen Anlage und bedarf einer fachgerechten Ausführung durch eine Elektrofachkraft. Die DIN EN 50600 ver- weist imTeil 2-1 darauf, dass für ein Rechen- zentrum ein Fundamenterder nach DIN EN 62305-3 zu errichten ist. Die Anordnung der Erdungs- und Potentialausgleichsanlage dient als Basis zum Schutz bei Blitzschlag und elektromagnetischen Beeinflussungen. Hinsichtlich der Auslegung vonMaßnahmen gegen die elektromagnetische Beeinflussung von Rechenzentren wird dabei unter anderem auf die DIN EN 50600-2-2 verwiesen, die ihrerseits hinsichtlich des LEMP-Schutzkon- zeptes auf die DIN EN 62305-4 verweist. Damit muss zur Planung von Rechenzentren auch die DIN EN 62305-4 herangezogen werden. Äußeres Blitzschutzsystem Ein vollständiges äußeres Blitzschutzsystem (LPS – Lightning Protection System) besteht nachDINEN62305-3 aus Fangeinrichtung, Ableitung, Erdungsanlage, dem berechneten Trennungsabstand und dem Blitzschutz- Potentialausgleich. Die Hauptaufgabe des äußeren Blitzschutzsystems ist es, Blitze ein- zufangen und über die Ableitungseinrichtung in die Erdungsanlage zu führen. Gerade bei Rechenzentren mit Blitzschutzklasse I stellt sich häufig die Her- ausforderung, die benötigte Anzahl an Fang- stangen im richtigen Trennungsabstand auf der Dachfläche unterzubringen. Problema- tisch in diesem Fall sind im Besonderen die unzähligen Dachaufbauten (z. B. Kühlungs- anlagen, PV-Anlagen), die den sicheren Be- trieb sowie die Energieeffizienz des Gebäudes sicherstellen sollen. Zugleich sind sie den Auswirkungen von Blitzeinschlägen ausgesetzt und bieten Blitzströmen die Möglichkeit, über die angeschlossenen Verbindungskabel in das Rechenzentrum einzudringen. Ein konventionelles Blitzschutzsystem mit Ein- haltung des notwendigenTrennungsabstands ist nur mit einem sehr hohen Aufwand zu realisieren. Der Trennungsabstand ist in DIN EN 62305-3 definiert als der „Abstand zwi- schen zwei leitfähigenTeilen, bei denen keine gefährlichen Funken auftreten können“. Bei dicht gedrängtenDachaufbauten bietet daher eine getrennte Blitzschutzeinrichtung – wie sie die HVI-Leitungen (HVI – High Voltage Insulation) darstellen – klare Vorteile. Sie lösen das Problem des „Trennungsabstands“ schnell, sind platzsparend und vereinfachen die Installation der Fangeinrichtung deutlich. Eine Fangeinrichtung mittels HVI-System verhindert die Gefahr, dass bei Rechenzentren dichte Dachaufbauten durch direkte Blitzein- schläge beschädigt werden oder durch Über- schläge und das Fließen von Blitzteilströmen die Stromversorgung oder Signalleitungen Bild 2: Die wichtigsten Normen zur Planung und Umsetzung von Blitz- und Überspannungsschutzmaßnahmen in Rechen- zentren im Überblick

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