NET 05/2023
42 www.net-im-web.de 5/23 Schneise im Dickicht der Statistiken in ihrem Jahresbericht 2022 für Ende 2021 aus: „Auf … FTTH/B ... beruh- ten etwa 2,6 Mio. Anschlüsse“ (S. 51). Hingegen weist das BMDV für Mitte 2022 eine FTTB/H- Versorgung von 8,32 Mio. Privathaushalten undUnternehmen bzw. eine Quote von 18,5 % aus. Der VATM beziffert die mit FTTB/H an- schließbaren Haushalte für Ende 2022 auf 12,3 Mio. (Dialog Consult/VATM, TK-Marktstudie, 2022, S. 14). Der Breko quantifiziert für Mitte 2022 die Zahl der mit FTTB/H versorgten Privathaushalte mit 12,7 Mio. (Breko Marktanalyse 22, S.12). Der FTTH Council Europe hält Mitte 2022 etwa 10 Mio. Haushalte für an FTTB/H-Netze anschließbar und nennt als Quote ca. 9% (FTTHCouncil Europe, FTTH Forecast for Europe, S. 8 und 10). Erklärung von Unterschieden Widersprechen sich die Zahlen? Die Ant- wort lautet: Tendenziell sind sie nicht fundamental, sondern eher in Nuancen unstimmig. Wenn man die Statistiken korrekt interpretieren will, ist ein genaues Hinschauen dahingehend erforderlich, dass neben dem Zeitbezug stets auch der inhaltliche Bereich zur Kenntnis genommen wird, der mit einem Indi- kator abgebildet wird. Deshalb geht es im Weiteren nicht um die numerischen Ausprägungen von FTTB/H-Daten in einzelnen Quellen, weil sie jeder selbst leicht nachlesen kann. Angestrebt wird vielmehr eine erklärende Anleitung zum Verständnis der Indikatoren („Tutorial“). Auf der Angebotsseite ist ein erster Indikator für die mittel- und kurzfristig mögliche FTTB/H-Versorgung die Zahl der bis auf wenige Meter vor dem Ge- bäudekeller mit mindestens einemGlas- faserkabel angebundenen bzw. passierten Häuser . Diese Variable hebt man hervor, wenn es darum geht, die FTTB/H-Si- tuation in einem vorteilhaften Licht er- scheinen zu lassen. EineTeilmenge dieser Liegenschaften wird durch einen zweiten Indikator abgebildet, der darauf abhebt, ob ein zumeist im Keller befindlicher Glasfaserübergabepunkt erreicht wird oder nicht. Eine dritte Variable bezieht die Nachfrageseite mit ein, indem sie die Zahl der Haushalte oder anderen (Wirtschafts-)Einheiten erfasst, die einen Vertrag über einen Glasfaseranschluss bis zum o.g. Übergabepunkt oder darüber hinaus rechtlich wirksam abgeschlossen haben und als verbunden bzw. „connected“ charakterisiert werden. Ein solcher Ver- tragsabschluss kann zwar implizieren, dass der Kunde auch sehr hohe Emp- fangs- oder Sendegeschwindigkeiten z.B. von mindestens 1 Gbit/s gebucht hat, muss es aber nicht. In jedem Fall setzt eine wirksame FTTB/H-Nachfrage vor- aus, dass ein technisch funktionsbereiter Glasfaseranschluss im Sinn des eben genannten zweiten „Homes-Passed“- Indikators sofort verfügbar ist. Damit kann die dritte Variable nur absolute Werte annehmen, die nicht größer sind als der zweite Indikator. Das Verhältnis vomdritten zum ersten oder zweiten Indikator bezeichnet man als Aufgreifquote („Take-up Rate“). Diese Quote kann dabei helfen zu er- kennen, inwiefern Anbieter ihre Anstren- gungen zur Nachfragestimulierung (z.B. über niedrigere Preise oder Bündelung eines Glasfaseranschlusses mit Video- anwendungen) auszubauen haben. Bei der Zahl der angebunde- nen Nachfrager wird üblicherweise noch weiter danach differenziert, ob Licht- wellenleiter nur bis zum o.g. Glasfaser- übergabepunkt reichen. Ist das der Fall, so spricht man von der FTTB-Nachfrage im engeren Sinn . Erfolgt hingegen auch innerhalb einer Immobilie die Signal- weiterleitung über Glasfaser als Übertra- gungsmedium bis in die Wohnung bzw. den Büroarbeitsplatz, dann bezeichnet man diese Konstellation als FTTH bzw. Fiber-to-the-Office-Nachfrage (FTTO). Die Unterscheidung zwischen FTTB und FTTH/FTTO ist zwar in den Me- dien weit verbreitet. Sie ist technisch aber insoweit problematisch, als dass Gigabitgeschwindigkeiten keine haus- internen Glasfaserleitungen notwendig voraussetzen, sondern auch über verdrillte Metallkabel der Kategorien 6 und höher derTIA-Standards (Telecommunications Industry Alliance) möglich sind. Änderungsbedarf Wenn sich der Fachexperte oder Laie das nächste Mal die Augen reibt, weil in ver- schiedenen Quellen benannte FTTB/H- Statistiken auch für den gleichen Stichtag auseinanderfallen, so ist zu hoffen, dass das hier dargelegte Tutorial, das die in Wissenschaft und Praxis derzeit dominie- rende Sicht wiedergibt, dieVerwunderung verringert. Daten zum FTTB/H-Ange- bot und zur -Nachfrage in Deutschland werden nicht maschinell automatisiert erhoben. Sie beruhen primär bislang auf Befragungen von privatwirtschaftlichen Unternehmen und anderen Organisa- tionen. Die Gültigkeit der Daten wird somit dadurch beeinflusst, wer bei einer Erhebung mit welchem Engagement sowie Objektivitätswillen eventuell auch antwortet und wie groß der sich daraus ergebende Stichprobenfehler ist. Politisch geboten sind deshalb über dieVorschriften des Telekommunikationsgesetzes (ins- besondere §175, § 176 und § 196) und andere Normen hinaus Maßnahmen, die eine automatisierte, anonyme sowie tagesaktuelle Erfassung von FTTB/H- Angebot und -Nachfrage in Deutschland sicherstellen. Das mag zwar nicht liberal wirken, ist aber aufgrund der gesellschaft- lichen Relevanz von Glasfaseranschlüssen gut vertretbar.
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