NET 5/24
13 www.net-im-web.de 05/24 KOMMUN I K AT I ONSMANAGEMENT Umweg oder Irrweg? Keine digitale Souveränität ohne Open Source Rico Barth ist Geschäftsführer der KIX Service Software GmbH und Vorstandsmitglied der Open Source Business Alliance Rico Barth Die Bundesregierung hat neue Rahmenverträge mit großen IT-Unternehmen abgeschlossen, die proprietäre, also geschlossene Software entwickeln. Eine frag- würdige Entscheidung, denn die Bindung an diese Global Player kann schnell in die Abhängigkeit führen. Der versprochene Fokus auf Open Source scheint passé. Ende 2021 legte die Ampel ihren Koalitionsvertrag vor, und ein Satz daraus ließ die Open-Source -Sze - ne aufhorchen: „Entwicklungs- aufträge werden in der Regel als Open Source beauftragt, die ent- sprechende Software wird grund- sätzlich öffentlich gemacht.“ Das, wofür sich die Community über Jahrzehnte stark gemacht hat, sollte nun von oberster Stelle nicht nur anerkannt, sondern sogar vo- rangetrieben werden. Die Zukunft sah rosig aus – die Gegenwart ist eher ernüchternd. Nach gut der Hälfte der Legislaturperiode fällt das Zwischenfazit im Bereich Open Source eher durchwachsen aus. Auf einer Schulnotenskala läge es vermutlich irgendwo zwischen „befriedigend“ und „mangelhaft“. Vor allem die neuesten Rah- menverträge mit großen US-Unternehmen wie Microsoft oder Oracle lassen Zweifel daran aufkommen, ob die Ampelkoalition überhaupt noch hinter ihremOpen-Source- Versprechen steht. Die Bundesregierung zahlt den zehn größtenVertragspartnern in den nächs- ten Jahren über 13 Mrd. €. Die meisten davon sitzen in den USA, andere Firmen kommen aus Indien, Japan, China und Israel. Für deutsche Unternehmen fällt nicht einmal ein Zehntel des Budgets ab. Das erfuhr die Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg durch eine Kleine Anfrage. Sie äußerte sich dazu so: „Die Förderung von Open Source und die Betonung der digitalen Souveränität als Richtschnur für IT-Entscheidungen sind offensichtlich reine Lippenbekenntnisse, denn in der Praxis setzt auch die sogenannte Fortschrittskoalition auf die übliche Praxis, für sehr viel Geld teure proprietäre Software insbesondere von großen US-Konzernen einzukaufen.“ Was die Bundesregierung beim Thema Open Source bisher geleistet hat, ist relativ überschaubar. Das Bundesminis- terium für Digitales und Verkehr hat seit Beginn der Legislaturperiode 22,3Mio. € in Entwicklungsaufträge investiert, von denen aber nur 121.000 € anOpen-Source-Projek- te gingen. Für Dienstleistungen, die in Zu- sammenhang mit Software stehen, wurden 3,5Mrd. € vergeben. Hiervon allerdings nur 18,6 Mio. € für Open Source, oder anders ausgedrückt lediglich 0,54%. DieserTrend spiegelt sich auch in den Kommunen und Mit Beginn der Legislaturperiode versprach die Bundesre- gierung, den Fokus auf Open Source zu legen. Das scheint nun passé zu sein, obwohl für die digitale Souveränität kein Weg an Open Source vorbeiführt (Foto: KIX, istockphoto)
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