NET 6-7 2023
26 www.net-im-web.de 6-7/23 Das böse Ü-Wort und das gute K-Wort sieben Jahren 90 % der Haushalte mit Glasfaser versorgt sein werden. Telefónica- Manager Butz wurde konkreter und sprach von 90 % Homes passed. Dem pflichtete goetel-CEO Daniel Kleinbauer bei: „Wir werden 2030 noch hart darumkämpfen, um FTTH in Ballungsgebieten zu vermarkten.“ UGG-CEO Prautzsch kritisierte, dass die Breitbandförderung zu sehr auf Flächen- deckung ausgelegt sei. Er plädierte dafür, die Wohnungswirtschaft davon zu überzeugen, sichmit FTTH anschließen zu lassen. „Eine gezielte Förderung derWohnungswirtschaft wäre ein großer Hebel“, sagte Prautzsch auf der ANGA COM in Köln. Wegfall der Umlage Dazu würden Wohnungsunternehmen sicherlich nicht nein sagen, auch wenn sie sich derzeit mit einem anderen Thema beschäftigen, über das auch auf der ANGA COM diskutiert wurde: Ab dem 1. Juli 2024 ist es nicht mehr möglich, die Kabel- anschlusskosten auf die Mietnebenkosten umzulegen. Das Sammelinkasso ist zwar weiterhin möglich, aber mit großem Auf- wand verbunden. Ein Wechsel auf Einzel- inkasso steht an. „Es wird eine neue Welt geben im nächsten Jahr“, sagte Bernd Thielk, Geschäftsführer von willy.tel. Er arbeitet mit der Wohnungswirtschaft zusammen, um möglichst viele Kabelhaushalte zu be- halten, denn durch das Sammelinkasso haben Netzbetreiber wie willy.tel keine näheren Daten über die Mieter, die sie mit Fernsehen versorgen. Bei Tele Columbus sind rund eine MillionHaushalte imSammelinkasso, erklär- te Stephan Kalleder, Senior Director Products & Growth bei der Tele Columbus Betriebs GmbH. „Etwa 30 bis 40 % davon kennen wir über Einzelverträge zum Beispiel für einen Breitbandanschluss oder HD-Pakete.“ Kalleder ist aber guter Dinge. Im Januar 2023 habeTele Columbus rund 30.000 Haushalte auf Einzelinkasso umgestellt. „Die Mehrheit bleibt bei uns“, sagte Kalleder in Köln. Es sei eine ähnliche Situation wie bei der Ab- schaltung der analogen TV-Verbreitung im Kabel. Damals sei auch kaum ein Haushalt zum Satelliten oder zurTerrestrik gewechselt. Und dennoch stellte Kalleder auch fest, dass vieleWohnungsunternehmen bis zum 1. Juli 2024 warten wollen und nur schwer von einem frühen Umstieg aufs Einzelinkasso zu überzeugen sind. Das mag auch daran liegen, dass den Worten des Tele-Columbus-Managers zufolge das Einzelinkasso 15 bis 20 % teurer als das Sammelinkasso ist. Früher Zusatz, heute Ersatz DieTV-Streaming-Anbieter sehen jedenfalls ihre Chance unter den Kabelnetzbetreibern, die die Netzebene 4 (NE4) versorgen, neue Kunden zu finden. Nicht ohne Grund kün- digte Ocilion imVorfeld der ANGA COM an, neben dem IP- auch ein DVB-C-Signal zur Verfügung stellen zuwollen. „Durch den Wegfall der Umlage bekommt der Mieter ein Budget von durchschnittlich 8 € frei, das er nutzen kann“, sagte etwa Christoph Bellmer, Gründer undCEOder EXARING AG, der Betreiberin von waipu.tv . War das Streamen vonTV-Programmen früher ein Zusatz, so ist es heute laut Bellmer ein Ersatz für den Kabelanschluss. „90 bis 95 % der Nutzung von waipu.tv findet auf dem Big Screen im Wohnzimmer statt“, sagte der EXARING-Chef in Köln. Der wesentlich größere Wett- bewerbsdruck für die Kabelnetzbetreiber ginge laut Niklas Brambring, CEO der Zattoo AG, aber gar nicht von den Strea- ming-Anbietern, sondern von der Telekom aus. Sie machtWohnungsunternehmen für dieTV-Versorgung günstige Angebote. Das bestätigte auch Kalleder, der jedoch auch einwarf, dass Fernsehen von der Telekom zwar günstig zu beziehen sei, es aber teuer wird, wenn man die Kosten für den Breit- bandanschluss mit einberechnet. Dann sei man schnell bei 60 bis 70 €. Kabelnetzbetreiber, die ihre Kun- den aus der Wohnungswirtschaft bislang mit linearem Fernsehen versorgt haben, müssen sich die Frage stellen, wie sie sich gegenüber den Streaming-Anbietern auf- stellen wollen, wenn diese mit Funktionen wie Restart, Replay und Catch-up werben. Tele Columbus reagiert auf diese Heraus- forderung mit einer neuen TV-Plattform, die zusammen mit Nagra und Sagemcom eingeführt werden soll. Die Entwicklung und der Betrieb einer solchen Plattform dürfte die Möglichkeiten kleiner und mittelständischer Kabelnetzbetreiber aber übersteigen. „DasTV-Geschäft ist ein Low- margin-Geschäft“, sagte Bellmer. „Das lohnt sich für kleine Kabelnetzbetreiber nicht.“ Marco Hellberg, Managing Director von M7 Germany, ist sich hingegen sicher, dass es auch kleinere Kabelnetzbetreiber geben wird, die mit einer eigenen Marke auftreten wollen. „Die sind dann bei M7“, sagte Hellberg in Köln. Die Experten sind sich jeden- falls einig, dass es am 1. Juli 2024 keinen Massenwechsel von Haushalten weg vom klassischen Kabelfernsehen hin zum TV- Streaming geben wird. Vielmehr werde sich dieser Wechsel sukzessive vollziehen. So prognostizierte Bellmer auf der ANGA COM etwa, dass sich in vier Jahren nur noch spezialisierte Streaming-Anbieter und die Telekom dieses Geschäft erlauben könnten. Ob die Prognose Bestand haben wird, dürfte auch auf der nächsten ANGA COM diskutiert werden. Sie findet vom 14. bis 16. Mai 2024 wie gewohnt in Köln statt. Ist der Infrastrukturwettbe- werb so viel wert, dass die Ziele des Breitbandausbaus hinten herunterfallen?
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjE2Mzk=