NET 08/2021
3 www.net-im-web.de ED I TOR I A L So manches ist während unserer kleinen Sommer- pause geschehen, liebe Leserinnen und Leser. Da gab es diverse Cyberattacken, die uns immer wieder die Verwundbarkeit und Durchlässigkeit sowohl der Cyberabwehrsysteme als auch der kritischen Infrastrukturen dahin- ter vor Augen führen. Hier stach in Deutsch- land insbesondere der Landkreis Anhalt-Bit- terfeld heraus, wo man nach einem schweren Cyberangriff den Ka- tastrophenfall feststellen musste. Infolge des Angriffs lag die Verwaltung des Landkreises mit rund 157.000 Einwohnern für zwei Wochen praktisch still. Jedoch: So verheerend die kurzfristigen Fol- gen dieses Cyberangriffs auch seinmögen, könnten sie doch von denmittel- und langfristigenAuswirkungen weit übertroffen werden, warnt Dirk Arendt, Head of Government, Public & Healthcare bei Trend Micro Deutschland: „Wenn solche elementaren Grundaufgaben nicht mehr erfüllt werden können, stellt dies die grundsätzliche Leistungsfähigkeit des Staates infrage.“ Wie sieht es nun mit der Warnung der Bevölkerung vor Gefahren wie beispielsweise einer Hochwasserkatastrophe aus? Ist dies nicht auch eine elementare Grundaufgabe des Staates? Ich denke schon. Aber anscheinend reichte der bundesweite (Nicht)Warntag letztes Jahr doch nicht aus, um alle Verantwortlichen in Staat und Ländern aufzuwecken. Jetzt also soll es das Cell-Broadcasting richten. Dieser der normalen SMS ähnliche Mittei- lungsdienst inMobilfunknetzen ist plötzlich in aller Munde, ist der politischeWille da, ihn einzurichten. Dabei gibt es dieseWarnmöglichkeit schon seit den 1990-er Jahren. Und eine EU-Richtlinie verpflichtet sogar zur Einführung des Warnsystems, natürlich mit Hintertürchen und erst ab 2022. Fakt ist, dass der Katastrophenschutz unbe- dingt umweitereMeldewege erweitert werdenmuss. Die Nutzer der bisherigenWarn-Apps Katwarn (3,8 Mio. aktive Nutzer laut BBK) und Nina (10 Mio.) machen bei weitemnicht denGroßteil der deutschen Bevölkerung aus. Cell-Broadcast ist eine vernünftige Alternative, dies zu erreichen. Die Netzbetreiber sind nach eigenen Aussagen bereit, Cell-Broadcast einzuführen. Und die Politik will sich mittlerweile beeilen, noch vor Ende der Legislaturperiode die gesetzlichen, organisatorischen und technischen Regelungen auf den Weg zu bringen. Jedoch kann Cell-Broadcast auch nur ein Baustein im Warnsystem sein. Was ist, wenn wie bei der Flutkatastrophe der Strom ausfällt oder Sendemasten umkippen und die Mobilfunknetze ausfallen? Zumal 12 % der Bundesbürger kein Handy ihr eigen nennen. Dann hilft auch kein Cell-Broadcast mehr. So plädiert der Berliner Experte für Warn- und Alarmierungslösungen Dr. Dietmar Gollnick „für eine redundante zweite Infrastruktur, die unabhängig von den primären digitalen Warn- wegen funktioniert.“ Nun soll aber erst einmal Cell-Broadcast im Laufe des nächsten Jahres fix gemacht werden. Mir wäre es allerdings am liebsten, dass, wenn diese Systeme fertig sind und funktionieren, sie nie ge- braucht werden würden. Ihre Brigitte Kasper brigitte.kasper@NET-im-web.de Nun also Cell-Broadcast 08/21
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