NET 8/2022

22 www.net-im-web.de 8/22 SCHWERPUNK T E - GOVERNMENT Patrick Pils Wer heute in einem kommunalen Bürgerbüro eine Wartenummer gezogen hat und auf die Verlän- gerung seines Personalausweises wartet, wer dringend auf die Bearbeitung seines Steuerbeschei- des oder Bauantrages oder die Bewilligung einer Sozialleistung angewiesen ist, der wird schon das im Online -Zugangs-Gesetz (OZG) beschriebene „digitale Amt“ für eine ferne Utopie halten. Dabei ist, betrachtet man die technische Entwicklung und die Notwendigkeit des Staates und all seiner ver- schiedenen Verwaltungseinheiten, immer schneller zu (re)agieren, das „digitale Amt“ nur ein Zwi- schenschritt zu dem, was eigent- lich notwendig wäre und wohl ab Mitte der 2030-er Jahre spürbar kommen wird: die selbstfahren- de Behörde, die selbstfahrende Organisation oder gar der selbst- fahrende Staat. Patrick Pils ist Managing Partner Public Sector bei Reqpool Der selbstfahrende Staat muss keine Vision bleiben Ein Denkmodell für die Verwaltung von morgen Staatliches Handeln nimmt immer mehr Raum ein. Corona-Kri- se, Ukraine-Krise, Energiekrise, Klimakrise, all diese Themen lassen sich nur gesamt- gesellschaftlich lösen und bedingen damit eine Konzertierung, eine effektive Inter- aktion zwischen Staat und Bürger, Staat undUnternehmen, Staat und Institutionen, verschiedenen Behörden im vielschichtigen kommunalen und föderalen Raum sowie auf der zwischenstaatlichen und supra- nationalen Ebene. Die Themen werden komplizierter, die Notwendigkeit, sehr schnell richtige und irreversible Entschei- dungen zu treffen, immer gravierender und die Verwaltung zwischen Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und politischer Willensbildung immer komplexer. Damit ist das Problem beschrieben: Die heutigen Verwaltungsstrukturen reichen bei weitem nicht aus, um in der heutigen Welt Dinge schnell zu lösen, dem Bürger den notwendigen und gewünschten Service zu bieten sowie eine krisenresiliente und krisenfeste Verwaltungsinfrastruktur zu ge- währleisten. Immer neue Krisen erschüttern eine Gesellschaft, deren Verwaltung noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist und die Bürgern sowieUnternehmen gegen- übersteht, die schon weitgehend digitalisiert denken und handeln. Die Erlebensdiskre- panz zwischen einem Einkauf bei Amazon Die Verwaltung ist noch nicht im 21. Jahrhundert ange- kommen. Es ist an der Zeit, dass die Vision vom „selbst- fahrenden“ Staat als Denkmodell Einzug in die politische Debatte hält (Bild: David Bruyland, pxabay)

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