NET 8/2022

35 www.net-im-web.de 8/22 ganzen Landkreisen beim flächendeckenden Ausbau von Glasfasernetzen und anderen Infrastrukturen. Zudem arbeiten wir eng mit wohnungswirtschaftlichen Unternehmen zusammen, um die Glasfaser zu den Mietern zu bringen. Hier halten wir Kapazitäten für 50.000 Inhaus-Verkabelungen für FTTH pro Jahr bereit und bieten passende Betrei- bermodelle an. NET: Was halten Sie vom politischen Ziel, die Glasfaser bis 2030 flächendeckend aus- zubauen? Ch. Lüthe: Als Unternehmen an der Aus- baufront vor Ort nehmen wir dieses als sehr sportlich wahr. Ich verstehe den Druck, der politisch bis hin in die kleinste Kommune bei den Themen Glasfaser und Digitalisierung herrscht. Doch der flächendeckende Glas- faserausbau ist kein Strategiespiel, bei dem man einfach Milliarden hin und her schiebt und an einigen Stellschrauben dreht. Geld alleine baut keine Glasfaser schneller. Es gibt auch keine Blaupausen, denn jedes Projekt ist anders und muss eine Vielzahl unterschied- licher Variablen in Einklang bringen. Dies beginnt schon bei derTopologie undGeologie. Zudemmüssen wir die Glasfaser noch in die Häuser undWohnungen bringen. Realistisch gesehen, wird es signifikant länger dauern. NET: FehlendeTiefbaukapazitäten undMan- power in allen Bereichen bremsen den Ausbau, heißt es. Wie kann man gegensteuern? Ch. Lüthe: Es gibt massive Engpässe ent- lang derWertschöpfungskette. Jammern hilft jedoch nicht weiter. Die Kernfrage lautet, wie sich die Baugeschwindigkeit mit den gegebenen Kapazitäten signifikant erhöhen und zeitlicher Leerlauf weitestgehend ver- meiden lässt. Wir empfehlen in der Praxis mehr sachliches und systematisches Heran- gehen an Ausbauprojekte. Schon zu Beginn müssen gebietsspezifische Besonderheiten in den Arbeitsabläufen von der Planung über den Ausbau und die Dokumentation bis hin zur Inbetriebnahme der Infrastruktur mit einfließen. Zusammen mit demAuftraggeber sowie der Ausbaukommune muss möglichst rasch ein Annäherungsprozess durchlaufen, gegenseitiges Verständnis entwickelt und gemeinsam lösungsorientiert an das Projekt herangegangen werden. Dieses muss darüber hinaus bereits in der Grob-, Fein- und Ge- nehmigungsplanung klar definiert sein, die kritischen Parameter und Zeiträume beschrei- ben und darf die Kommunikation zwischen allen Beteiligten bis hin zu den Bürgerinnen und Bürgern nicht vernachlässigen. Wenn sich diese Herangehensweise branchenweit durchsetzt, kann deutlich schneller und zu- gleich effizienter ausgebaut werden. NET: In der neuen Gigabitstrategie ist von einer Beschleunigung der Genehmigungsver- fahren die Rede. Ist dies ein richtiger Ansatz? Ch. Lüthe: Eigentlich will jeder schnellere Genehmigungsverfahren. Nur wie will Berlin dies vorgeben? In der Praxis fallen Geneh- migungen in die Hoheit der Länder und Kommunen. Hier gibt es gewaltige personelle Engpässe und die meisten Kommunen sind noch analog unterwegs. So fehlen die dafür notwendigen Infrastrukturen und digitalen Kompetenzen. Der Ansatz ist gut gemeint, wird sich aber zeitnah nicht umsetzen lassen. Hierfür werden Jahre benötigt. NET: Kann der Einsatz moderner Verlege- methoden den Gigabitausbau beschleunigen? Ch. Lüthe: Wir bauen für unsere Auftraggeber traditionell und mit alternativen Verlegeme- thoden aus. Wir sind zudem fest davon über- zeugt, dass sich der Glasfaserausbau mit den modernenMethoden signifikant schneller und vor allemauch wirtschaftlicher realisieren lässt. Was allerdings fehlt, ist eine breit angelegte Aufklärungskampagne bei den zuständigen Bauämtern in den Kommunen, die auf tradi- tionellemTiefbau beharren. Der Widerstand lässt sich nicht per Order aus Berlin brechen, sondern nur durchÜberzeugung vor Ort. Der flächendeckende Ausbau einer Kommune ist wie eine Operation am offenen Herzen. Hier kommt eine neue Infrastruktur in jede Straße. Dies dauert und führt zu erheblichen Belastungen für alle. Kürzere Bauzeiten sind ein wichtiges Argument. Und der nun vorge- schlagene Haf- tungsfonds sollte den Kommunen die erheblichen Bedenken hinsichtlich der Haftungsfragen bei der Gewährleistung nehmen. NET: Die privatwirtschaftlichenAusbauunter- nehmen befürchten einen Fördertsunami. Teilen Sie diese Meinung? Ch. Lüthe: Seitens des Bundes fehlt ein klares Konzept, dass den privatwirtschaftlichen mit dem geförderten Ausbau sinnvoll verzahnt. Wir bauen seit Jahren in beiden Bereichen aus. Dabei überwiegt der privatwirtschaftliche Anteil deutlich. Den breiten Überbau durch geförderte Netze sehen wir noch nicht. Letzt- lich entscheidend ist die Ausbaugeschwin- digkeit durch die Privaten. Je schneller man Tatsachen schafft, desto besser. Wenn die Infrastrukturen erst einmal stehen, werden ein geförderter Überbau und der Einsatz von Steuermitteln dafür schwer zu begründen sein. Geförderte Ausbauprojekte dauern darüber hinaus durch die komplexen Verfahren in der Regel drei bis vier Jahre länger. Hier bleibt viel Zeit, wirtschaftlich nicht sinnvolle Projekte politisch zu stoppen. Dass zusätzliche Nachfrage durch geförderten Ausbau die Tiefbaupreise auto- matisch in die Höhe treibt, sehen wir nicht. Vielmehr herrscht ein erheblicher Preisdruck im Markt, der Erhöhungen gegenüber Auf- traggebern erschwert. Aber: Zu niedrige Preise können zu ungewollten Qualitätsabstrichen und Insolvenzen führen. Herr Lüthe, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. www.vitronet.de Christoph Lüthe Geld baut Glasfaser auch nicht schneller

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