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40 www.net-im-web.de 8/22 7 des Gesetzes gegen unlauterenWettbewerb (UWG) umgesetzt. Weiter bemüht man sich imDatenschutzrecht mithilfe von Art. 4 Nr. 11, 5 Abs. 1 lit. a, 7 sowie Art. 12 und 25 der europäischen Datenschutz-Grundver- ordnung vom 27. April 2016 darum, DP bei Einwilligungen von Site-Besuchern in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch Site-Betreiber allgemein ein- zudämmen. Darüber hinaus unterstützt in jüngster Zeit die Europäische Kommission speziell im digitalen RaumDP-Verbote beim Einsatz künstlicher Intelligenz mit ihremVor- schlag vom 21. April 2021 für einen Artifical Intelligence Act, beimTeilen von Daten mit ihrem Vorschlag vom 23. Februar 2022 für einen Data Act (siehe NET 4/2022, S. 50- 54), beimBegrenzen derWettbewerbsmacht digitaler Gatekeeper mit demDigital Markets Act vom 5. Juli 2022 (siehe NET 5/2022, S. 37-40) und beim Schutz von Nutzern digitaler Online-Vermittlungsdienste mit dem Digital Services Act vom 5. Juli 2022. Über direkte Verbote hinaus, die alle oder bestimmte Site-Betreiber betref- fen, versucht man auf deutscher Ebene, DP juristisch außerdem im Vertrags- und Wettbewerbsrecht zu begrenzen. Zu den einschlägigen Regelungen gehören Trans- parenzpflichten für Online-Marktplätze und -Bewertungssysteme, Vorgaben zur Gestal- tung von Schaltflächen bei entgeltpflichtigen Verbraucherverträgen, Verzichtsgebote bei Default-Einstellungen für wirksame Verbrau- cherverträge und Kündigungsschaltflächen bei auf Online-Marktplätzen geschlossenen entgeltlichen Dauerschuldverhältnissen (z.B. Mobilfunkvertrag). Nicht zuletzt strebt man an, nach Vertragsschlüssen, die durch DP herbeigeführt werden, finanzielle Schäden für Verbraucher über Widerrufsrechte zu vermeiden. Trotz des unermüdlichen Ausbaus der gesetzlichen Regelungen im Kontext von DP nimmt die Verbreitung solcher De- signmuster nicht ab. Hierfür gibt es zwei Hauptgründe. Erstens ist es leicht, Nutzer- schnittstellen so zu gestalten, dass es nicht unmittelbar offensichtlich ist, dass einVerstoß gegen allgemein formulierte Rechtsnormen vorliegt. Für solche Fälle muss dann erst in langwierigen Gerichtsverfahren mit hoher Ergebnisunsicherheit für den Kläger eine Ent- scheidung herbeigeführt werden. Die geringe Wahrscheinlichkeit, mit der vor allem die zahlreichen weniger bekanntenWebsite-Be- treiber für DP zu Rechenschaft gezogen und mit empfindlichenGeldbußen belegt werden, schafft Anreize, mit abstrakten gesetzlichen DP-Vorgaben „locker“ umzugehen. Zweitens sind die DP-Möglichkeiten so vielfältig, dass es selbst für kleine Website-Betreiber nicht schwierig ist, konkret verboteneDP-Varianten rasch durch subtilere Spielarten zu ersetzen. Erweiterung durch DP-Leitlinien Weil eine rein legalistische Strategie zur DP-Bekämpfung nicht ausreicht, muss man umdenken und nach wirksamen Erweiterun- gen fahnden. Bislang setzt die Politik mit Designauflagen und Strafen auf „negative Anreize“ für Site-Betreiber. Deshalb ist eine naheliegende Kurskorrektur, positive Anreize ins Spiel zu bringen. Hierzu sollte die Bun- desregierung selbst oder von ihr beauftragte renommierte Institutionen (z.B. Verbraucher- zentralen; Technische Überwachungsvereine) spezielle Leitlinien zu DP für kommerzielle Online-Verkäufer und -Intermediäre (z.B. Betreiber sozialer Medien) erarbeiten. Solche Leitlinien müssen neben generellen Gestal- tungsprinzipien für Nutzeroberflächen (z.B. Easy, Attractive, Social, Timely – EAST, Fairness, Openness, Respect, Goals, Opini- ons, Options, Delegation – FORGOOD) Fallbeispiele umfassen, die zeigen, welche Designs als gut und als noch gerade zulässig einzustufen sind. Die Bundesregierung kann sich dabei an etlichen DP-Empfehlungen, die EU-Behörden, nationale Behörden von EU-Mitgliedstaaten und zivilgesellschaftliche Organisationen bereits veröffentlicht haben, orientieren. Außerdem lassen sich Anregun- gen aus Verhaltenskodizes für den digitalen Raum, die sich Internetanbieter zur Selbst- kontrolle gegeben haben, entnehmen (z.B. der am 16. Juni 2022 von 34 Technologie- unternehmen unterzeichnete „Strengthened Code of Practice on Disinformation“). Damit solche Leitlinien schnell an Markt- und Techniktrends angepasst werden können, sollte es sich bei ihnen nicht um juristisch zwingend einzuhaltende Vorgaben handeln, die erst in einem zeitauf- wendigenGesetzgebungsverfahren änderbar sind. Gleichzeitig muss aber darauf geachtet werden, dass sie aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit von Anbietern nicht als bloßes Feigenblatt für die vermeintliche Übernahme vonVerantwortung für ihr Ver- halten im Internet missbraucht werden. So kann man Bedenken gegen „DP Free Was- hing“ entkräften und einer Debatte analog zu der bei Finanzanlagen im Hinblick auf die ESG-Kriterien (Environmental, Social and Governmental) geführten Diskussion das Wasser abgraben. Dies lässt sich durch drei Maßnahmen erreichen. Erweiterung durch DP-Software -Tools Erstens sind von einer imAuftrag der Bun- desregierung tätigen neutralen Organisa- tion Software-Tools bereitzustellen und fortlaufend zu aktualisieren, die den Grad der Übereinstimmung der Nutzerschnitt- stellengestaltung einer Website mit den Soll-Ausprägungen gemäß DP-Leitlinien in quantifizierender und leicht verständ- licher Weise abbilden (z.B. ähnlich wie eine Ampelkennzeichnung auf Lebens- mittelverpackungen). Solche Tools sind erforderlich, um auch kleine Site-Betreiber in die Lage zu versetzen, ihreWeb-Schnitt- stellen ohne großen Aufwand imHinblick auf ihre DP-Leitlinienkonformität hin zu bewerten. Gegenüber einer Verlagerung des Einsatzes der Software auf Nutzer hat die Selbstprüfung durch Anbieter zwei Vorteile. Sie ist unabhängig von der Kompetenz und Motivation der Nutzer. Weiter belastet sie Nutzer nicht damit, bei Site-Besuchen Dark Patterns im Internet

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