NET 8/2022

44 www.net-im-web.de 8/22 Mythos Gigabitanschluss schließlich solche berücksichtigt, die bei den Nutzern real existieren und die Buchung der Datenrate jeweils mindestens 1 Gbit/s für Downstream und Upstream beträgt? • Ist bei Gigabitnetzen sichergestellt, dass bei allen real existierenden Anschlüssen die Datenraten von jeweils 1 Gbit/s für den Downstream und den Upstream zur Verfügung stehen? • Wurden alle im Versorgungsgebiet des Netzes vorhandenen Gebäude/ Haushalte einbezogen? Nur wenn alle Fragen bejaht werden kön- nen, ist ein sachgerechter Vergleich der Ergebnisse aus verschiedenen Ländernmög- lich. In der Praxis lässt sich die Richtigkeit von Angaben nur bedingt prüfen. Das hängt auch damit zusammen, dass es keine einheit- lichen Verfahren der Datenerhebung gibt. Nicht unter gleichen Randbedingungen erstellte Ranglisten über die Versorgung mit Gigabitanschlüssen sind deshalb wenig aussagekräftig. Kosten-Nutzen-Analyse Es gibt noch keine hinreichenden Unter- suchungen, welche Anwendungen für Gi- gabitnetze bedeutsam sind. Dabei wäre auch zu berücksichtigen, dass an jeden Gigabitanschluss mehrere Endgeräte für die- selben oder unterschiedlichen Dienste an- geschlossen werden können. Diese müssen sich dann die verfügbare Datenrate teilen, was ein geteiltes Medium (SharedMedium) bedeuten würde. Diese Situation ist zum Beispiel bei der Speisung von WLANs ge- geben, die funktionsbedingt für eine große Zahl von Endgeräten ausgelegt sind. Für Schulen und sonstige Bildungseinrichtun- gen haben deshalb die leistungsstarken Gigabitanschlüsse einen hohen Stellenwert. Bei der Angabe von Zahlen für Gigabitan- schlüsse gibt es im Regelfall keine Infor- mation über die monatlichen Kosten für die damit verbundene Datenrate. Davon hängt jedoch ebenfalls die Akzeptanz für solche leistungsfähigen Anschlüsse ab. Je- der potenzielle Nutzer wird nämlich eine Kosten-Nutzen-Analyse anstellen, aus der dann die Entscheidung für oder gegen den Gigabitanschluss resultiert. Dabei spielen mit Sicherheit einerseits die realen monat- lichen Kosten, andererseits aber auch die Differenz zwischen den gängigen Anschlüs- sen mit 50 Mbit/s oder 100 Mbit/s und denen mit mindestens 1 Gbit/s eine Rolle. Fazit Vorstehende Ausführungen zeigen, dass bei einem auf die Gigabitanschlüsse bezogenen Ländervergleich die Angabe von lediglich einem Zahlenwert pro Land nur bedingt ausreichend ist, auch wenn die Bezüge für deren Ermittlung jeweils explizit angegeben sind und sie für alle angeführten Länder in gleicher Weise gelten. Dieses Konzept bietet nämlich für den Ländervergleich nur eine vermeintliche Transparenz. Es unterstützt dagegen den Mythos Gigabitanschluss als Alleinstellungs- merkmal für die Versorgung von Nutzern mit hohen Datenraten, ohne relevante Einzelheiten aufzuzeigen. Es ist deshalb ratsam, die Informationen über Gigabitan- schlüsse zu differenzieren. Dabei erscheinen folgende, auf das jeweilige Land bezogene Angaben sinnvoll: • Gesamtzahl der verfügbaren Giga- bit-anschlüsse mit jeweils mindestens 1 Gbit/s im DS und US; • Zahl der verfügbaren Gigabitanschlüs- se, für die Datenraten im DS und US vonmindestens 1 Gbit/s gebucht sind; • Zahl der verfügbaren Gigabitanschlüs- se, für die nur im DS Datenraten von mindestens 1 Gbit/s gebucht sind; • Zahl der verfügbaren Gigabitanschlüs- se, für die Datenraten im DS und US von weniger als 1 Gbit/s gebucht sind; • Zahl der Gigabitanschlüsse, die durch entsprechende Infrastrukturmaßnah- men realisierbar wären; • monatliche Kosten für einen Giga- bitanschluss mit jeweils mindestens 1 Gbit/s im DS und US. Damit wäre für jedes Land ein Datensatz verfügbar, der die tatsächliche Situation präziser charakterisiert. Dies könnte noch durch die Angabe der Ge- samtzahl der Anschlüsse im Netz ergänzt werden, um die Relation zu weniger leis- tungsfähigen Anschlüssen zu verdeut- lichen. An jeden Gigabitanschluss müssen mehrere Endgeräte für dieselben oder unterschiedlichen Dienste angeschlossen werden können (Foto: Gerd Altmann, pixabay)

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