NET 08/2023

08/23 27 www.net-im-web.de Wachstum und Blockade auch nicht komplett fertiggestellte Anschlüsse gezählt, bei denen eine dedizierte Glasfaser- anschlussleitung oder ein Leerrohrsystem, das für die Installation eines FTTB/H-An- schlusses ausgelegt ist, entweder in max. 20 m Entfernung am Grundstück vorbeiführt oder bis an oder sogar auf das Grundstück geführt, aber noch nicht mit dem Gebäude und dem hausinternen Netz verbunden ist. Mit der Berücksichtigung dieser Kategorie soll derTatsache Rechnung getragen werden, dass der Großteil derTiefbauarbeiten, die zumBau eines neuen Glasfaseranschlusses erforderlich sind, erbracht wurde. In der internationalen Terminologie fallen diese vorbereiteten An- schlüsse gemeinsam mit den Homes-Con- nected-Anschlüssen in die Kategorie Homes Passed (auf weitere Differenzierungen wie Homes Prepared oder Homes Passed plus wird in diesem Artikel nicht eingegangen). Die Kategorie der vorbereiteten An- schlüsse ist innerhalb von nur sechs Monaten von 6,6 Mio. um 1,5 Mio. (+22,7 %) auf 8,1 Mio. angewachsen. Dieses ist teilweise verwunderlich, da die Carrier doch ein fun- damentales Interesse an der Fertigstellung der Anschlüsse habenmüssten, da mit teilfertigen Anschlüssen keine Umsätze erzielt werden können. Zwei Gründe erklären diese Beob- achtung. Zum einen wird der Hausanschluss, für den zusätzliche Abstimmungen mit dem Grundstücks-/Hauseigentümer erforderlich sind, immer erst nach der Verlegung der Glasfaserleitung in einem Straßenzug gebaut. Dadurch ergibt sich die Situation, dass zu definierten Stichtagen die Anschlussleitung fertig ist, der Hausanschluss jedoch nicht. Der zweiteGrund liegt jedoch darin, dass Anschlüsse zunächst bewusst nichtfertig gebaut werden.Wie kann das sein? Bild 5 zeigt die Verteilung von Angebot und Nachfrage nach FTTB/H-Anschlüssen differenziert nach Telekom undWettbewerbern. Letztere haben frühzeitig die Notwendigkeit von Investitio- nen in zukunftssichere Glasfaseranschlussnetze erkannt, sind früher gestartet und haben bis heute mit 8,6 Mio. Anschlüssen auch den größeren Teil davon gebaut (57,0 %). Bei einer Take-up-Rate von 33,7 % können die Wettbewerber mit 2,9 Mio. Anschlüssen auch Geld verdienen. Die Telekom hat ihre Investitionen lange in den Ausbau des nicht mehr zeitgemäßen Kupferdoppeladernetzes gesteckt und erst vor einigen Jahren mit dem Bau von FTTB/H-Anschlüssen begonnen. Mittlerweile hat sie aber deutlich aufgeholt, allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres verringerte sich der Vorsprung aller Wettbewerbsunternehmen von 2,4 auf 2,1 Mio. Anschlüsse.Während alleWettbewerbs- unternehmen zusammen in diesemZeitraum 0,9 Mio. Anschlüsse gebaut haben, konnte die Telekom 1,2 Mio. bauen. Schlecht ist die Telekom jedoch bei der Take-up-Rate, diese beträgt nur 13,8 % und ist sogar noch schlechter geworden imVergleich zu 15,1 % Ende 2022. Dieses Ergebnis darf sicher nicht mit schlechten Vermarktungsanstrengungen begründet werden, vielmehr mit einer mög- licherweise ungeschickten Ansprache der Grundstückseigentümer. Dabei hätte die Telekom erhebliche Vermarktungsvorteile gegenüberWettbewerbern, da etwa die Hälfte der Anschlussinhaber bereits Telekom-Kun- den sind und keine Vertragsrestlaufzeiten abwarten müssten. Hinter dem schnellen Bau von unfertigen Anschlüssen kann aber auch eine bewusste strategische Entscheidung stehen. Mit hohemTempo Glasfaserleitungen zu ver- legen, ohne die Anschlüsse fertigzubauen, blo- ckiert diese Gebiete fürWettbewerber, da kein Unternehmen Glasfaseranschlussleitungen in einem bereits von der Telekom projektierten Gebiet verlegen wird. Der Umsatzverlust ist für die Telekom gering – die Bewohner sind ganz überwiegend DSL-Nutzer, und dieTelekom verdient mit jedemDSL-Nutzer Geld, egal, ob es ein Telekom-DSL-Direkt- kunde oder ein Wettbewerber-DSL-Kunde ist. Denn dasWettbewerbsunternehmenmuss für jeden Kunden Vorleistungsentgelte an die Telekom entrichten, die deutlich über 50 % der erzielten Nettoumsätze liegen. Die Interessenten inTelekom-Aus- baugebieten hingegen sind überwiegend frus- triert. Das Versprechen, lahmeDSL-Leitungen durch Glasfaser zu ersetzen, verzögert sich mitunter um Jahre, und alternative Wett- bewerber sind blockiert. Insgesamt verzögert sich auch der volkswirtschaftliche Übergang zur Gigabitgesellschaft durch eine derartige Blockadestrategie. Nutzung Das über Gigabitanschlüsse generierte Daten- volumen liegt deutlich über dem, das mit allen Breitbandanschlüssen erreicht wird. So wurden bis Ende 2022 384,0 Gbit pro Gigabitanschluss und Monat übertragen; für alle Breitbandanschlüsse lag dieser Wert bei Bild 6: Verteilung der Nachfrage bei gigabitfähigen Anschlüssen nach Bandbreitenklassen: Während die Nachfrage nach Internetzugängen unterhalb von 500 Mbit/s leicht rückläufig ist, nimmt die Nutzung der schnelleren Internetzugänge zu

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