NET 09/2022

43 www.net-im-web.de 9/22 „Ackergaul der Digitalisierung“ fentlichkeits- und Lobbyingarbeit ihre hohen Milliarden-Euro-Investitionen in Fest- und Mobilfunknetze der Republik hervor. Es ist in der Tat richtig, dass mit großem Abstand kein Unternehmen in Deutschland mehr in TK-Netze investiert als dieTelekom: Allein 2021 investierte das Unternehmen hierzulande 4,1Mrd. € (ohne Auszahlungen für Funkfrequenzen). Diese absolute Kennzahl ist allerdings in ihrer Aussagekraft beschränkt. Sie erfasst erstens nicht die Effizienz, mit der die Mittel ein- gesetzt werden. Zweitens berücksichtigt sie nicht, dass die Höhe der Netzinvestitionen eine Funktion der Größe des vorhandenen Geschäfts ist. Den zweiten Mangel der fehlenden Beachtung des positiven Ein- flusses der Geschäftsgröße auf die absoluten Investitionen weist das Verhältnis vonNetz- investitionen zu externen Umsätzen nicht auf. Es belief sich für die Telekom 2021 auf 17,5 %. Exakt der gleiche Wert war auch für die Fest- undMobilfunknetzwett- bewerber der Telekom zu verzeichnen. Bei der Teilmenge der Wettbewerber, die nicht nur als Wiederverkäufer TK-Dienste ver- markten, sondern eigene Netze betreiben, lag die Investitionsquote gar deutlich über 20 %. Insoweit ist die Telekom keineswegs der kräftigste Ackergaul der Digitalisierung im Land. Die fehlende Spitzenposition des Unternehmens bei der Investitionsquote in Deutschland sollte nicht überraschen: Zum einen wird die Investitionsfähigkeit des Konzerns durch seinen hohen Ver- schuldungsgrad (das Verhältnis von Netto- Finanzverbindlichkeiten zu Bilanzsumme belief sich am 31. Dezember 2021 auf 46,3 %) beeinträchtigt. Zum anderen konkur- rieren konzernintern Investitionsanträge für Deutschland vor allem mit Wünschen für die Mobilfunksparte in den USA. Zurückhaltung bei Glasfaser Dass dieTelekom zu Recht bei ihrenNetzen in Deutschland nicht im Sinn überge- ordneter staatlicher Breitbandausbauziele altruistisch agiert, lässt sich gut anhand der Entwicklung ihrer Internetanschluss- produkte demonstrieren. Der Ex-Mono- polist investierte hier trotz des sich schon zu Beginn des dritten Millenniums ab- zeichnenden Nachfrageschubs bei hohen Down- und Upload-Geschwindigkeiten keineswegs direkt in Glasfaseranschlüsse bis zum Gebäudekeller (Fiber to the Building – FTTB) oder in die Wohnung (Fiber to the Home – FTTH). Stattdessen setzte der Konzern in Deutschland ab 1998 auf die „Brückentechnik“ ADSL. Ab 2006 ging man dadurch die ersten Trippelschritte in Richtung Glasfaseranschlussnetze, dass die rund 0,33 Mio. Verteilerknoten (Kabel- verzweiger) in den Kupferkabelortsnetzen der Telekom mit VDSL ausgestattet und Glasfaserteilstrecken verlegt wurden, um die Knoten mit übergeordneten Netzteilen zu verbinden. Ab 2012 bohrte das Unter- nehmen diese Technik mit Investitionen in Vectoring dann noch einmal auf, um Download-Raten von bis zu 250 Mbit/s anbieten zu können, aber eben immer noch keine Gigabitbandbreiten. Erst ab 2021, also fast ein Viertel- jahrhundert nach Beginn des Ausbaus von Internetzugangsdiensten ohne Einwahltech- nik durch die Telekom (wer erinnert sich nicht an den „Ich-bin-drin-“AOL-Spot mit Boris Becker aus dem Jahr 1999), erhöhte der Konzern inDeutschland erkennbar seine Schlagzahl beim Ausbau von FTTH-An- schlüssen. Er will hier pro Jahr nun bis 2030 ca. 3,75 Mrd. € investieren, um jährlich mindestens 2Mio. dieser Gigabitanschlüsse zu errichten. Tatsächlich waren es im ers- ten Halbjahr 2022 höchstens eine halbe Million Anschlüsse. Die Wettbewerber kamen im gleichen Zeitraum auf 0,9 Mio. Das Telekom-Engagement bei FTTH ist denn auch nicht uneigennützig, sondern wird durch die abnehmende Konkurrenz- fähigkeit seiner VDSL-Produkte und den Nachfragezuwachs bei Gigabitanschlüssen getrieben. Wesentlich klarer erfüllt dieTele- kom den Ackergaul-Anspruch dagegen bei Mobilfunknetzen der fünftenGeneration in Deutschlandmit einer Haushaltsabdeckung von 95 % Mitte 2022. Vodafone hinkt ca. 30 und Telefónica Germany etwa 55 Prozentpunkte hinterher. Aber auch hier gibt es für den Konzern noch viel Luft nach oben, da Mitte 2022 von allen drei Anbietern zusammen gerade mal einDrittel der Fläche Deutschlands mit echten 5G- Die Zahl der Haushalte, die einen reinen Glasfaser-Anschluss (FTTH) von der Telekom erhalten können, ist aktuell immer noch niedrig (Bilder: Deutsche Telekom)

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