NET 09/2022

44 www.net-im-web.de 9/22 „Ackergaul der Digitalisierung“ Netzen ohne Verknüpfung mit 4G-Netzen über Dynamic Spectrum Sharing versorgt wurde. Als Zwischenergebnis ist festzu- halten: DieTelekom ist ein guter Ackergaul der Digitalisierung in Deutschland; sie ragt dabei aber insbesondere beim Fest- netz nicht durch besonderen Fleiß oder stärkere Gemeinwohlorientierung gegen- über Wettbewerbern mit eigenen Netzen in Deutschland oder Europa heraus. Unfaire Benachteiligung? Mit Blick auf Netzinvestitionen mahnte Höttges jüngst in trauter Eintracht mit den Vorstandsvorsitzenden (VV) anderer „klassischer“ TK-Konzerne in Europa, dass man wesentlich mehr für den Infra- strukturaufbau tun könne, wenn Betreiber digitaler Plattformen US-amerikanischer Provenienz, deren Videodienste Over the Top (OTT) enorme Verkehrsmengen in Netzen erzeugen (Google/Alphabet, Facebook/Meta, Netflix, Apple, Ama- zon, Microsoft), eine volumenabhängi- ge Infrastrukturabgabe an die Betreiber von Fest- und Mobilfunknetzen zahlen müssten. Eine solche Abgabe würde auch nicht gegen das Netzneutralitätsgebot von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2120 verstoßen, da diese Norm gar kein Gleichbehandlungsgebot für Tran- sitverkehr zwischen OTT-Plattformen und TK-Netzbetreibern vorsieht. Das trifft zu. Dennoch lassen sich dieser Idee, die ähnlich vor einem Jahrzehnt schon einmal von dem Lobbyverband ETNO lanciert wurde, gewichtige Argumente entgegenhalten. Erstens investieren auch die OTT-Konzerne erheblicheMittel in Infra- struktur (Datenzentren, Glasfaserkabel zum Transport zwischen Datenzentren, Datenspeicherung in Endnutzernähe). Zweitens helfen attraktive Videodiens- te TK-Netzbetreibern bei der End- kundengewinnung für umsatzstärkere Gigabitanschlüsse. Drittens steigen die Netzbetreiberkosten unterproportional zur Verkehrsmenge, die Kosten werden viel stärker von der Zahl und Lage der Endkundenanschlüsse beeinflusst. Ein Lahmen des Ackergauls auf die fehlende Beteiligung von großen OTT-Anbie- tern an Netzinvestitionen zu schieben, ist also wenig überzeugend. Wenn die Telekom mehr Hafer für das Pflugpferd in Deutschland benötigt, dann sollte sie ihre Energie nicht darauf vergeuden, zu versuchen, die OTT-Konkurrenz durch Unterstützung bürokratischer Regulie- rungsmaßnahmen zu schwächen. Wirk- samer wäre es, das Startup-Geschäft des Konzerns in Deutschland so auszubauen, dass man selbst auch einmal mit dabei ist, wenn „The Next Big Digital Thing“ gefunden wird. Börsenbeurteilung der Telekom VV Solchen kleineren Schwächen zumTrotz hat Höttges alles in allem seit seinem Amtsantritt am 1. Januar 2014 als Bauer der Digitalisierung Deutschlands einen sehr guten Job gemacht. Sein Wirken wird auch vom Kapitalmarkt goutiert (siehe Tabelle). Pro Amtsjahr des aktu- ellen Telekom-CEOs stieg der Börsen- kurs des Unternehmens um 5,24 %, der DAX-40 dagegen nur um 4,29 % (Stichtag: 1. August 2022). Auch im Vergleich zu seinen vier Vorgängern seit dem Börsengang im November 1996 ragt Höttges damit positiv heraus: Bei RenéObermann nahmderTelekom-Kurs im Mittel um 1,07 % pro Amtsjahr ab (Benchmark DAX-40: Zunahme 5,84 % pro Jahr). Bei Kai-Uwe Ricke stieg er um 4,03 % pro Amtsjahr, aber der DAX-40 entwickelte sich mit 18,98 % pro Jahr im Verlauf der Ricke-Amtszeit mehr als viermal besser. Und bei Ron Sommer sank derTelekom-Kurs vom18. November 1996 bis zur Entlassung des „Sonnenkönigs“ gar um 4,84%pro Jahr, während derDAX-40 in diesemZeitraum eine durchschnittliche Wachstumsrate von 6,54 % p.a. aufwies. Fazit Angesichts der unbestrittenen Erfolge von Höttges als Ackergaulführer stünde ihm etwas weniger Hybris gut: Neben der Telekom gibt es weitere exzellente Ackergäule für die Digitalisierung der Re- publik. Das ist gut für Deutschland. Der Vorstandsvorsitzende der Telekom sollte dies deutlicher als bisher anerkennen. Kurs-/Indexveränderung pro Amtsjahr Vorstandsvorsitzender Amtszeit Telekom DAX-40 Stoxx Europe 600 Telco Ron Sommer (18.11.1996-16.7.2002) -4,84 % 6,54 % 4,41 % Kai-Uwe Ricke (15.11.2002-12.11.2006) 4,03 % 18,98 % 7,40 % René Obermann (13.11.2006-31.12.2013) -1,07 % 5,84 % -0,47 % Timotheus Höttges (1.1.2014 bis heute) a) 5,24 % 4,29 % -3,07 % Beurteilung des Ackergauls der Digitalisierung durch die Börse a) Analyse arbeitet für Höttges mit dem Stichtag 1. August 2022 (Quelle: Univ.-Prof. Gerpott Analysen)

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