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Kommentar

  • Künstliche Intelligenz, ja aber…

    Hype, Trend, Buzzword – die Künstliche Intelligenz ist in den letzten Monaten sicherlich keine Randerscheinung gewesen. Müssen wir wirklich noch mehr Aufmerksamkeit auf das Thema lenken? Wurden nicht schon alle Superlative bedient? Ein Kommentar von Nadine Riederer, CEO bei Avision.

     

    Ja, die Technologie ist disruptiv und ihre Funktionsweise eine gesellschaftliche Zäsur. Doch während Fachleute und die breite Masse an Technikbegeisterten in gleichem Maße über den kometenhaften Aufstieg der maschinellen Intelligenzen staunen, scheinen wir uns über die möglichen Ausmaße dieser fundamentalen Transformation der KI-getriebenen Digitalisierung immer noch kein richtiges Bild machen zu können.

    Die Begeisterung ist allerdings ungebrochen – selbst in eher traditionell bis konservativ geführten deutschen Chefetagen macht sich eine für deutsche Verhältnisse ungewöhnliche Technologiebegeisterung breit, denn KI verspricht zum Beispiel auch Antworten auf große Herausforderungen wie den Fachkräftemangel. Vor allem für die personell gebeutelte IT-Branche könnte KI eine Entlastung bedeuten, da die Lücke zwischen maschinell und menschlich generiertem Code mit der Verbesserung der Tools immer weiter schrumpft. Dennoch dürfen wir nicht die Schattenseiten dieser Entwicklung vergessen.

    Ein offensichtliches Risiko ist die wachsende Gefahr der Spezialisierung. Wenn Tools die Programmierung auf der Basis von Prompts in natürlicher Sprache übernehmen, könnte die Zahl der Entwickler, die selbst Code schreiben, langfristig abnehmen. Wenn es dann brennt, stellt sich die Frage: Wen rufen wir an? Ein anderes Problem, das nicht ganz so klar auf der Hand liegt, betrifft die Offshore-Programmierung. Die Auslagerung von Softwareprojekten ist seit Jahren eine gängige Strategie hiesiger Unternehmen. Doch wenn Unternehmen verstärkt auf KI-Lösungen setzen, könnte der Bedarf an Offshore-Partnern obsolet werden. Was passiert dann mit den programmieraffinen Unternehmen und ihren gut ausgebildeten Fachkräften im Ausland? Sie werden sich nicht in Luft auflösen. Vielmehr besitzen sie das nötige Know-how, um Konkurrenzprodukte auf den Markt zu bringen und als neue Gegenspieler zu agieren. Eine Dynamik, deren Auswirkungen kaum vorhersehbar sind – die Branche aber durchaus auf den Kopf stellen könnten.

    avision nadine riederer

    Nadine Riederer ist CEO bei dem auf Software-Revival spezialisierten IT-Dienstleister Avision (Foto: Avision)

    Es sind mögliche Szenarien wie diese, die bei der herrschenden KI-Euphorie schnell unter den Tisch fallen. Deutsche Unternehmen, die ihre Programmierung zu einem beliebigen Grad ins Ausland verlagert haben, müssen jetzt über einen möglichen Kurswechsel nachdenken: welche Exit-Strategien sind umsetzbar? Welche Folgen hat die Automatisierung der Softwareprogrammierung für die internen Prozesse?

    Sicher, die KI verspricht in naher Zukunft Großes. Deswegen ist jetzt die Zeit, nicht nur die positiven Potenziale zu betrachten, sondern auch ernsthaft über die negativen Auswirkungen und möglichen Folgen dieser Entwicklung nachzudenken. Offshore-Programmierung ist dabei ein wunderbares Beispiel für die Ambivalenz der KI-Technologie. Auf der einen Seite kann sie eines Tages mit großer Sicherheit einen Programmierer ersetzen und damit Kosten sowie schwer zu findendes Person einsparen – über den möglichen Dominoeffekt bis hin zu einer ungewissen Marktdynamik aufgrund neuer Player aus Ländern mit großer IT-Expertise und Manpower können wir allerdings nur spekulieren. Deshalb gilt bei aller Begeisterung: Ein kritischer Blick auf mögliche Risiken und die proaktive Entwicklung von Strategien ist unerlässlich. Für die Offshore-Programmierung wird sich die KI eines Tages vermutlich als Todesstoß herausstellen. Dann wird gut gewappnet sein, wer sich über mögliche Konsequenzen frühzeitig im Klaren war.

    www.avision-it.de

    (Titelfoto: NickyPe, pixabay)